1 Einleitung
Rz. 1
§ 201 betrifft die Vollstreckung aus Verpflichtungsentscheidungen nach § 131. Kommt eine Behörde ihrer nach § 131 auferlegten Verpflichtung, den aufgehobenen Verwaltungsakt in bestimmter Weise rückgängig zu machen (§ 131 Abs. 1, Folgenbeseitigungsanspruch), den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen (§ 131 Abs. 2) oder den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (§ 131 Abs. 3) nicht nach, sieht § 201 die Möglichkeit vor, der untätigen Behörde ein Zwangsgeld aufzuerlegen.
2 Rechtspraxis
2.1 Anwendungsbereich
Rz. 2
Unmittelbar erfasst ist auch die stattgebende Entscheidung des Gerichts nach § 88 auf die Untätigkeitsklage hin. Denn auch mit ihr wird die Verpflichtung zur Erteilung eines Verwaltungsakts ausgesprochen. Wird in einem solchen Verfahren ein gerichtlicher Vergleich dahingehend geschlossen, dass der Verwaltungsakt bis zu einem bestimmten Datum erteilt werden soll, so ist dieser Vergleich ebenfalls nach § 201 vollstreckbar, wenn die Behörde den Termin nicht einhält.
Rz. 3
Grundlage der Zwangsgeldandrohung können nur Entscheidungen nach § 131 sein, mit der der Behörde eine Verpflichtung zum Handeln auferlegt wird. Bei Unterlassungspflichten ist § 201 nicht anwendbar. Das Zwangsgeld ist, wie der Vergleich zu § 890 ZPO zeigt, begrifflich von dem Ordnungsgeld zu unterscheiden, das den Schuldner nach Verletzung einer Unterlassungspflicht zu künftigem pflichtgemäßen Verhalten anhalten soll. Das Vollstreckungsrecht des SGG enthält keine Regelung zum Ordnungsgeld, so dass auf § 890 ZPO zurückgegriffen werden muss.
2.2 Entsprechende Anwendbarkeit
Rz. 4
Obwohl § 201 nur von der in einem Urteil auferlegten Verpflichtung nach § 131 spricht, ist die Regelung nach h. M. auf weitere Vollstreckungstitel entsprechend anwendbar. Dies betrifft zunächst Grundurteile nach § 130, die auf eine kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage hin ergehen (BSG, Urteil v. 6.8.1999, B 4 RA 25/98 B, SozR 3-1500 § 201 SGG Nr. 1). Denn sie verpflichten den Leistungsträger, zur Bestimmung der Höhe der Leistungen einen Verwaltungsakt zu setzen. Soweit Anerkenntnisse oder gerichtliche Vergleiche (Titel nach § 199 Abs. 1 Nr. 3) auf die Erteilung eines Verwaltungsaktes gerichtet sind oder einen dem Grundurteil entsprechenden Inhalt haben, gilt dasselbe (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 201 Rn. 2). Unter den gleichen Voraussetzungen sind auch Anordnungen nach § 86b Abs. 2 erfasst.
Rz. 5
Nach der hier vertretenen Auffassung ist § 201 auch auf die sonstigen Fälle der Verpflichtung zu einer unvertretbaren Handlung anwendbar. Bei der Vorschrift handelt es sich um eine besondere Ausprägung der Vollstreckung einer unvertretbaren Handlung i. S. d. § 888 ZPO. Die Erteilung eines Verwaltungsaktes durch eine bestimmte Behörde stellt stets eine unvertretbare Handlung dar, da die Rechtsmacht hierzu im Rahmen der staatlichen Zuständigkeitsverteilung ausschließlich ihr zugewiesen ist. Zwar kann in bestimmten Fällen die Aufsichtsbehörde Weisungen erteilen oder gar die Entscheidung an sich ziehen, sie ist in diesen Fällen aber nicht als "Dritter" i. S. einer vertretbaren Handlung nach § 887 ZPO anzusehen (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, § 172 Rn. 30). Diese Erwägung verdeutlicht, dass § 888 ZPO das normative Vorbild des § 201 ist. Auf § 888 ZPO kann und braucht damit in den Fällen der unvertretbaren Handlung, die nicht in der Erteilung eines Verwaltungsaktes bestehen, nicht zurückgegriffen werden. Mit § 201 ist bereits ein entsprechendes Instrumentarium bereitgestellt. In diesem Sinne kann man z. B. auch das LSG Hamburg (Beschluss v. 1.4.2004, L 1 B 169/03 ER, NZS 2004, 672) verstehen. Es hatte die Vollstreckung nach § 201 in dem Fall zugelassen, dass die Behörde die am Vergleich beteiligten Pflegeunternehmen vorläufig so zu behandeln hatte, als bestünde ein Vertrag über die Durchführung und Abrechnung von Pflegeleistungen mit einem bestimmten Inhalt. Nicht alle hieraus resultierenden Verpflichtungen der Behörde sind im Wege des Verwaltungsaktes zu erfüllen. Das Hessische LSG hat die Frage der Vollstreckung nach § 888 ZPO oder § 201 bei der Vollstreckung einer Verpflichtung der Bundesagentur für Arbeit zur Übermittlung von Daten an einen anderen öffentlichen Träger offen gelassen (Beschluss v. 19.1.2007, L 7 AS 10/07 ER, juris). Das Ausgangsgericht hatte § 888 für anwendbar gehalten (SG Fulda, Beschluss v. 29.12.2006, S 9 AS 268/06, juris).
Rz. 6
Nach der hier vertretenen Auffassung sind darüber hinaus auch alle bezifferten Geldleistungstitel von Privatpersonen gegen die öffentliche Hand nach § 201 zu vollstrecken (siehe ausführlich § 198 Rn. 16 ff.).
2.3 Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner
Rz. 7
Vollstreckungsgläubiger können sowohl natürliche und juristische Personen des Privatrechts sein als auch alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Vollstreckungsschuldner können alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts sein. Die gesetzgeberische Bezeichnung der "Behörde" als Schuldner ist verkürzend, steht dieser Sichtweise aber nicht entgegen. In der Bezeichnung kommt lediglich zum Ausdruck, dass der Verpfli...