Rz. 3
Bis zur Anfügung des Satzes 4 in § 28 Abs. 1 war umstritten, ob Zweigstellen der Landessozialgerichte errichtet werden können. Durch die Ergänzung aufgrund des 2. SGGÄndG ist dieser Meinungsstreit obsolet geworden. Zweigstellen der Landessozialgerichte können nunmehr – wie bei den Sozialgerichten – errichtet werden. Dazu bedarf es keiner gesetzlichen Regelung, sondern es genügt eine Verordnung der Landesregierung oder der von ihr beauftragten Stelle (Justiz- oder Sozialministerium). Die Verordnung kann die Zahl der Senate bestimmen, die in der Zweigstelle errichtet werden. Nicht zulässig ist hingegen eine Regelung, für welche Sachgebiete die Zweigstelle zuständig ist (ebenso Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 28 Rz. 3b; Burkiczek, in: Roos/Wahrendorf, SGG, § 28 Rz. 19). Der Verordnungsgeber hat einen großen Ermessensspielraum und muss im Wesentlichen abwägen, ob die durch die Errichtung von Zweigstellen erreichte größere Bürgernähe und der damit verbundene größere Dienstleistungseffekt die Nachteile aufgrund eines erschwerten Informationsaustausches, einer schwieriger zu organisierenden Vertretung sowie einer teilweisen Verdoppelung der Infrastruktur rechtfertigen. In der Praxis hat § 28 Abs. 1 Satz 4 keine große Bedeutung erlangt. In Bayern ist durch die Verordnung der Bayerischen Staatsregierung v. 2.5.1995 (Bay GVBl. S. 167) eine Zweigstelle des Landessozialgerichts in Schweinfurt (mit 6 Senaten) erreicht worden. Nach der Bildung eines gemeinsamen Landessozialgerichts für die Länder Niedersachsen und Bremen mit Sitz in Celle ist eine Zweigstelle in Bremen errichtet worden. Bei der Bildung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg ist auf die Errichtung einer Zweigstelle verzichtet worden. Soweit Zweigstellen errichtet werden, müssen diese kleiner als die Hauptstelle des Landessozialgerichts sein. Ihnen darf kein eigener Gerichtsbezirk zugewiesen werden (dazu Bay VGH, Beschluss v. 21.4.1995, 20 N 94.2808; a. A. Schmidt, in: Hennig, SGG, § 28 Rz. 8). Die Geschäftsverteilung erfolgt durch das Präsidium des Landessozialgerichts. Soweit Richter einer Zweigstelle zugewiesen werden, handelt es sich nicht um eine Versetzung; sie behalten vielmehr ihr Amt am Landessozialgericht. Durch die Neufassung von § 28 Abs. 1 ist aber nicht auch die gesetzgeberische Entscheidung getroffen worden, dass in jedem Bundesland nur ein Landessozialgericht gebildet werden darf. Da der mögliche Bedarf nach einem zweiten Landessozialgericht einerseits in der Praxis nicht besteht und andererseits durch die Errichtung einer Zweigstelle gedeckt werden kann, ist die Errichtung eines zweiten Landessozialgerichts zwar nicht rechtlich ausgeschlossen (a.A Bay VGH, a. a. O.; Schmidt, in: Hennig, SGG, § 28 Rz. 4; Lüdtke, in: HK-SGG, § 28 Rz. 2), jedoch nicht erforderlich. Die vom Bay VGH aufgeführte Gefährdung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Rechtsprechung wird dadurch abgewendet, dass dann auch Landesrecht gemäß § 162 revisibel ist. Auswärtige Senate können durch Anordnung der Landesregierung oder der von ihr bestimmten Stelle errichtet werden. Sie sind jedoch keine Zweigstellen, sondern Spruchkörper, die sich nicht am Sitz des Landesozialgerichts befinden.