2.1 Besetzung
Rz. 2
Hinsichtlich der Besetzung trifft § 41 Abs. 5 eine zwingende Regelung, von der auch das Präsidium nicht abweichen kann. Danach gehören dem Großen Senat an: Der Präsident des Bundessozialgerichts, der gemäß § 41 Abs. 6 Satz 2 den Vorsitz führt und dessen Stimme bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt (Abs. 6 Satz 3). Je ein Richter der Senate, in denen der Präsident nicht den Vorsitz führt. Damit wird sichergestellt, dass jeder Senat durch einen Richter im Großen Senat repräsentiert ist. Das Gesetz bestimmt dabei nicht, ob dies der Vorsitzende oder ein anderer Berufsrichter ist. Damit obliegt die personelle Auswahl insoweit dem Präsidium, das gemäß § 41 Abs. 6 Satz 1 für die Bestellung der Mitglieder des Großen Senats zuständig ist. Eine Ausnahme gilt nur insoweit, als mehrere Senate personengleich besetzt sind. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn sämtliche Berufsrichter in diesen Senaten personengleich sind; in dieser Ausnahmesituation wird die Repräsentation dieser Senate auch dadurch erreicht, dass ein Berufsrichter mit nur einer Stimme im Großen Senat vertreten ist. Bei Divergenz- und Grundsatzvorlagen ist die Besetzung des Großen Senates gleich. Weiterhin gehören dem Großen Senat 6 ehrenamtliche Richter an; je 2 aus dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber sowie je einer aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder mit dem Recht der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen vertrauten Personen und dem Kreis der Berechtigten nach dem SGB XIV sowie den Menschen mit Behinderungen. Damit wird nochmals verdeutlicht, dass das Element der sachkundigen Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter in der Sozialgerichtsbarkeit eine wesentliche Bedeutung hat. Deshalb bestimmt § 41 Abs. 5 Satz 2 auch, dass die Zahl der mitwirkenden ehrenamtlichen Richter sich dann um 2 erhöht, wenn der Senat für Vertrags(zahn)arztrecht vorlegt (BSG, Beschluss v. 11.3.2011, B 6 KA 25/10 R; Beschluss v. 23.3.2011, B 6 KA 11/10 R; Beschluss v. 3.2.2010, B 6 KA 31/09 R). In diesem Fall wirken zusätzlich je ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Vertrags(zahn)ärzte und Psychotherapeuten sowie aus dem Kreis der Krankenkassen mit, damit auch insoweit die Fachkunde dieser ehrenamtlichen Richter einfließen kann. Eine Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter aus den Vorschlagslisten der Arbeitnehmer war bis 2008 vorgesehen. Dies ist jedoch hinfällig geworden, da § 12 Abs. 5 Satz 1 i. d. F. bis zum 31.3.2008 gestrichen wurde. Die notwendige Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter aus den Vorschlagslisten der kommunalen Spitzenverbände ist durch Einfügung des (neuen) Satzes 3 aufgrund des Anhörungsrügengesetzes geschaffen worden.
2.2 Vertretungsregelung
Rz. 3
Für jedes Mitglied des Großen Senats wird ein (oder mehrere) Vertreter bestellt. Dies geschieht durch das Präsidium (§ 41 Abs. 6 Satz 1). Die Vertretung des Präsidenten im Vorsitz ist ausdrücklich geregelt. Sie erfolgt durch das dienstälteste Mitglied der Berufsrichter und nicht durch den Vizepräsidenten oder den Berufsrichter, der den Präsidenten im Senat vertritt. Hinsichtlich der Vertretung aller Berufsrichter (einschließlich des Präsidenten) als Repräsentanten des Spruchkörpers sowie der ehrenamtlichen Richter trifft das Präsidium die Entscheidung. Dies gilt gemäß Abs. 5 Satz 5 auch für die Vertretung des Präsidenten als Repräsentanten seines Senats (nicht im Vorsitz). Um die Funktionsfähigkeit des Großen Senats zu garantieren, mag es sinnvoll sein, mehrere Vertreter zu bestimmen, jedoch tritt der Große Senat nicht so häufig zusammen, dass für eine Terminsplanung mehrere Vertreter notwendig erscheinen.
2.3 Divergenzvorlage
Rz. 4
Gemäß § 41 Abs. 2 besteht eine Vorlagepflicht, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will. Zu den Rechtsfragen gehören nur solche, die entscheidungserheblich sind. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um materielle oder verfahrensrechtliche Rechtsfragen handelt. Zu den entscheidungserheblichen Fragen gehören nicht die Ausführungen in sog. obiter dicta (anders als bei einer Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung), weil sie nicht zu den tragenden Gründen zählen. Die Vorlagepflicht entsteht nicht nur dann, wenn es um die identische Rechtsnorm geht, sondern, um dem Zweck einer Entscheidung durch den Großen Senat zu entsprechen, immer schon dann, wenn eine inhaltliche Identität besteht (GS OBG, Urteil v. 6.2.1973, GmS-OGB 1/72; BSG GS, Beschluss v. 30.6.1960, GS 4/60; BSG GS, Bes. v. 20.2.2019, GS 1/18). Es handelt sich jedoch dann nicht um dieselbe Rechtsfrage, wenn zwischenzeitlich eine Rechtsänderung eingetreten ist (BSG, Urteil v. 26.1.2005, B 12 KR 23/03 R). Zu den Entscheidungen i. S. v. § 41 Abs. 2 zählen nicht nur Urteile, sondern auch Beschlüsse, insbesondere Nichtzulassungsbeschwerden oder Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Ein Abweichen ist nicht gegeben, wenn der andere Senat seine Auffassung aufgegeben hat, nicht mehr besteht oder aufgrund einer Änderung der Geschäftsverteilung nicht mehr zuständig ist...