Rz. 4
Gemäß § 41 Abs. 2 besteht eine Vorlagepflicht, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will. Zu den Rechtsfragen gehören nur solche, die entscheidungserheblich sind. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um materielle oder verfahrensrechtliche Rechtsfragen handelt. Zu den entscheidungserheblichen Fragen gehören nicht die Ausführungen in sog. obiter dicta (anders als bei einer Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung), weil sie nicht zu den tragenden Gründen zählen. Die Vorlagepflicht entsteht nicht nur dann, wenn es um die identische Rechtsnorm geht, sondern, um dem Zweck einer Entscheidung durch den Großen Senat zu entsprechen, immer schon dann, wenn eine inhaltliche Identität besteht (GS OBG, Urteil v. 6.2.1973, GmS-OGB 1/72; BSG GS, Beschluss v. 30.6.1960, GS 4/60; BSG GS, Bes. v. 20.2.2019, GS 1/18). Es handelt sich jedoch dann nicht um dieselbe Rechtsfrage, wenn zwischenzeitlich eine Rechtsänderung eingetreten ist (BSG, Urteil v. 26.1.2005, B 12 KR 23/03 R). Zu den Entscheidungen i. S. v. § 41 Abs. 2 zählen nicht nur Urteile, sondern auch Beschlüsse, insbesondere Nichtzulassungsbeschwerden oder Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Ein Abweichen ist nicht gegeben, wenn der andere Senat seine Auffassung aufgegeben hat, nicht mehr besteht oder aufgrund einer Änderung der Geschäftsverteilung nicht mehr zuständig ist. Letzteres gilt aber wegen Abs. 3 Satz 2 nur dann, wenn der Senat, der abweichen will, nunmehr alleine zur Entscheidung über Ansprüche aus einem in sich geschlossenen Rechtsgebiet berufen ist. Ansonsten ist die Vorlage unerlässlich und an den nunmehr zuständigen Senat zu richten (BSG, Urteil v. 22.3.1983, 2 RU 27/81). Die Vorlage liegt nicht im Ermessen, sondern ist zwingend (BSG GS, Beschluss v. 11.12.169, GS 4/69). Ein Verstoß gegen § 41 Abs. 2 begründet einen Verfahrensmangel und kann mit der Verfassungsbeschwerde angefochten werden (BVerfG, Beschluss v. 15.5.1984, 1 BvR 967/83; Schmidt, in: Hennig, SGG, § 41 Rz. 7), jedoch nur dann, wenn die Nichtvorlage offensichtlich willkürlich ist. Die Rechtsfrage, die unterschiedlich beurteilt wird, muss für die neue wie auch für die frühere Entscheidung erheblich sein (BSG, Beschluss v. 18.11.1980, GS 3/79). Soweit mehrere Senate unterschiedlich entschieden haben, muss vorgelegt werden. Es spielt keine Rolle, dass sich der erkennende Senat der Auffassung der jüngsten Entscheidung anschließen will.