Rz. 39
§ 51 Abs. 2 Satz 1 und 2 enthält die Rechtswegzuweisung für privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung. In diesem Bereich der Sozialversicherung gibt es in erheblicher Zahl Streitigkeiten zwischen Krankenversicherungsträgern und Leistungserbringern im Gesundheitswesen. Dabei sind in den zurückliegenden Jahren immer wieder Unklarheiten und Streitfragen entstanden, ob bestimmte Streitigkeiten von der Rechtswegzuweisung an die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit umfasst werden oder ob insoweit der Zivilrechtsweg offensteht. Hier wollte der Gesetzgeber Klarheit schaffen. Während bisher das Gesetz diejenigen Rechtsverhältnisse, für die der Sozialrechtsweg maßgeblich sein sollte, enumerativ aufzählte, geht er nun einen anderen Weg: Für Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung soll unabhängig davon, ob es sich um öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Streitigkeiten handelt, der Sozialrechtsweg gegeben sein. Dies gilt auch dann, wenn durch diese Angelegenheiten Dritte (insbesondere Leistungserbringer) betroffen werden.
Rz. 40
Rechtsstreitigkeiten zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern (oder deren jeweilige Verbände) im Gesundheitswesen haben in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen. Deren Rechtsbeziehungen – auch soweit es sich um vertragliche Beziehungen handelt – sind gemäß § 69 SGB V seit dem 1.1.2000 dem öffentlichen Recht zugeordnet (BSG, Urteil v. 25.9.2001, B 3 Kr3/01 R, BSGE 89 S. 24 = SGb 2002 S. 688). Inwieweit für Streitigkeiten von Leistungserbringern untereinander der Zivil- oder der Sozialrechtsweg gegeben ist, wird im Einzelnen unterschiedlich beurteilt. (für Zivilrechtsweg bei einem Rechtsstreit zweier Apotheken: OLG München, Beschluss v. 15.1.2007, 29 W 2942/06; für Sozialrechtsweg bei einem Rechtsstreit zwischen einem Verband zur Förderung der gewerblichen Interessen, insbesondere zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und einem Unternehmen zum Handel mit Kontaktlinsen und deren Zubehör: OLG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 28.9.2005, 16 W 117/05, OLGR Schleswig 2005 S. 733). Für einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch einer privaten Krankenkasse oder einer nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG klagebefugten Einrichtung gegen eine gesetzliche Krankenkasse hat der BGH (Beschluss v. 9.11.2006, I ZB 28/06, NJW 2007 S. 1819) den Zivilrechtsweg jedenfalls für den Fall bejaht, dass der geltend gemachte Anspruch nicht auf einen Verstoß gegen Vorschriften des SGB V, sondern ausschließlich auf wettbewerbsrechtliche Normen gestützt wird, deren Beachtung auch jedem privaten Mitbewerber obliegt. Dann handele es sich nicht um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung i. S. v. § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG, sondern um eine Streitigkeit, für die der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nach § 13 GVG eröffnet ist.
Rz. 41
Die Regelung in Abs. 2 Satz 2 ist mit Wirkung vom 1.1.2011 aufgehoben. Der zugleich mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz eingeführte Abs. 3 stellt klar, dass Streitigkeiten in Verfahren nach GWB, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, von der Zuständigkeit der Sozialgerichte ausgenommen sind. Der Gesetzgeber hat damit nach lediglich zwei Jahren eine Kehrtwende vollzogen. Er räumt damit eine weitere nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. dazu zuletzt BGH, Urteil v. 12.3.1991, KZR 26/89, BGHZ 14 S. 218 = NJW 991 S. 2963) bestehende Rechtsunsicherheit zugunsten der Rechtswegzuständigkeit der für wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten zuständigen Obergerichte aus. Durch die Neuregelungen des Gesundheitsreformgesetzes v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) und des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 v. 22.12.1999 (BGBl. I S. 2626) hat der Gesetzgeber die ausschließliche Zuständigkeit der Sozialgerichte für Rechtsstreitigkeiten zwischen Krankenkasse und Leistungserbringern auch insoweit begründet, als kartellrechtliche Ansprüche in Rede stehen (vgl. BSG, Urteil v. 31.8.2000 = SozR 3-2500 § 35 Nr. 1; BGH, Beschluss v. 14.3.2000, BGHR, GWB § 87 Abs. 1 Rechtsweg 2).
Rz. 42
Ob hiervon abweichend bei Streitigkeiten über den Abschluss von Rahmenvereinbarungen nach § 127 Abs. 1 SGB V die Zuständigkeit der Vergabekammern und -senate bei den Oberlandesgerichten nach den §§ 104, 116 GWB oder die Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichte besteht, war in Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 23.5.2007, VII-Verg 50/06, GesR 2007 S. 429 einerseits; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 19.11.2007, 17 Verg 11/07; LSG NRW, Beschluss v. 20.12.2007, L 16 B 127/07 KR ER andererseits) und Literatur (Lorff, ZESAR 2007 S. 104 ff; Hartmann/Dogulu, SGb 2007 S. 404 ff; Gabriel, NZS 2007 S. 344 ff. einerseits, Engelmann, in: jurisPK-SGB V, § 69 Rn. 133 ff; Möschel, JZ 2007 S. 601 ff.; Roth, GRUR 2007 S. 645 ff.; Bloch/Puns, SGb 2007 S. 645 ff. andererseits) umstritten. Diese Beschlüsse stellen gemäß § 114 Abs...