2.2.1 Vorbeugende Feststellungsklage
Rz. 5
Vorbeugender Rechtschutz gegen einen künftigen Verwaltungsakt kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn effektiver Rechtschutz ansonsten nicht gewährleistet wäre. Dies ist dann denkbar, wenn mit dem Erlass des Verwaltungsakts ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstünde (BSGE 69 S. 256). Grundsätzlich muss jedoch der Erlass des Verwaltungsakts abgewartet werden. Das LSG Rheinland-Pfalz hat die vorbeugende Klage auf Feststellung der Geltung von Unfallverhütungsvorschriften für zulässig erachtet (Breithaupt 1993 S. 542).
2.2.2 Zuständigkeitsklage
Rz. 6
§ 55 Abs. 1 Nr. 2 hat deklaratorischen Charakter. Die Feststellung, welcher Versicherungsträger zuständig ist, wird bereits von Abs. 1 Nr. 1 erfasst. Sie beinhaltet die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses. Unzulässig ist die Zuständigkeitsklage dann, wenn die Frage der Zuständigkeit als Vorfrage Gegenstand einer bereits anhängigen Leistungsklage ist (BSG, Urteil v. 25.4.1984, 8 RK 30/83 = BSGE 56 S. 255). Seitdem § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I die Leistungspflicht des zuerst angegangenen Sozialleistungsträgers vorsieht, hat die Zuständigkeitsklage nur noch Bedeutung für den Zuständigkeitsstreit unter den Leistungsträgern.
2.2.3 Feststellung des Kausalzusammenhangs
Rz. 7
Auch § 55 Abs. 1 Nr. 3 hat deklaratorischen Charakter. Die Feststellung des Kausalitätszusammenhangs durch gesonderte gerichtliche Entscheidung hat besonders im Bereich der Unfallversicherung und des sozialen Entschädigungsrechts (Opferentschädigung, Soldatenversorgung, Kriegsopferversorgung) erhebliche praktische Bedeutung. Die Frage des Ursachenzusammenhangs ist oftmals die allein streitige Frage. Gegenstand dieser besonderen Form der Feststellungsklage ist die Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen einem Arbeitsunfall, einer Berufskrankheit (BSG, Urteil v. 27.6.2006, B 2 U 77/06 R, SozR 4-1500 § 55 Nr. 4 = NZS 2007 S. 437 ) oder einer Schädigung (BSG, Urteil v. 5.7.2007, B 9/9a VS 3/06 R, noch unveröffentlicht; BSG, Urteil v. 30.1.1991, 9a/9 RV 22/89, BSGE 68 S. 128 = SGb 1992 S. 165) auf der einen Seite und einer bestimmten Gesundheitsstörung oder dem Tod des Versicherten bzw. des Geschädigten auf der anderen Seite. Ebenso kann die Feststellung beantragt werden, dass ein bestimmtes Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen ist oder dass das schädigende Ereignis Folge unmittelbarer Kriegseinwirkung ist – dass die Verletzung Folge einer Wehrdienstbeschädigung ist. Gegenstand der Feststellung kann also der innere Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und einem Unfallereignis, die haftungsbegründende Kausalität zwischen einer versicherten Verrichtung und dem Unfallereignis und auch die haftungsausfüllende Kausalität zwischen dem Unfallereignis und einer bestimmten Gesundheitsstörung sein. Wird auf Anerkennung eines Versicherungsfalls geklagt, so ist damit die Feststellung des Ursachenzusammenhangs bzw. des inneren Zusammenhangs gemeint.
Rz. 8
Regelmäßig hat der Sozialleistungsträger zuvor den Antrag auf Anerkennung des Versicherungsfalls bzw. auf Feststellung der Unfall- oder Schädigungsfolgen durch Bescheid abgelehnt und den dagegen gerichteten Widerspruch durch Widerspruchsbescheid zurückgewiesen. Das Feststellungsbegehren tritt daher neben den Anfechtungsantrag.
Rz. 9
Der Klageantrag muss lauten:
unter Aufhebung des Bescheids vom ... und des Widerspruchsbescheids vom ... festzustellen, dass der Schienbeinbruch Folge des Arbeitsunfalls vom ... ist;
unter Aufhebung des Bescheids vom ... und des Widerspruchsbescheids vom ... festzustellen, dass das Ereignis vom ... einen Arbeitsunfall darstellt;
unter Aufhebung des Bescheids vom ... und des Widerspruchsbescheids vom ... festzustellen, dass der Tod des Ehemannes der Klägerin Folge der Berufskrankheit nach Nr. ... der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist;
unter Aufhebung des Bescheids vom ... und des Widerspruchsbescheids vom ... festzustellen, dass der Schussbruch des rechten Schienbeins Folge einer Wehrdienstbeschädigung ist.
2.2.4 Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts
Rz. 10
Die Nichtigkeitsfeststellung wird als besondere Form der Feststellungsklage aufgeführt, weil ein nichtiger Verwaltungsakt kein Rechtsverhältnis begründet; allerdings käme nach allgemeinen Grundsätzen die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses in Betracht. Sie ist nur dann zulässig, wenn sie sich gegen einen tatsächlich vorhandenen Verwaltungsakt richtet. Ein nichtiger Verwaltungsakt kann nach allgemeiner Auffassung entweder mit der Feststellungsklage oder mit der Anfechtungsklage angegriffen werden. Die Nichtigkeitsfeststellungsklage ist nicht gegenüber anderen Klagearten subsidiär. Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 40 SGB X nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. In § 40 Abs. 2 SGB X sind darüber hinaus besondere Nichtigkeitsgründe genannt (fehlende Erkennbarkeit der Ausgangsbehörde, Formnichtigkeit, auf eine objektiv unmögliche Leistung, auf strafbares oder ordnungswidriges Verhalten gerichteter Verwaltungsakt, ...