1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift regelt die Zuständigkeit innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit für den Fall, dass die sonstigen Regelungen zur örtlichen und sachlichen Zuständigkeit nicht ausreichen sowie für den Fall des Zuständigkeitskonflikts. Für Fälle des negativen Kompetenzkonflikts zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige hat die Rechtsprechung (BSG, MDR 1989 S. 189) jedoch § 58 Abs. 1 Nr. 4 entsprechend angewendet.

2 Rechtspraxis

2.1 Fallgruppen

 

Rz. 2

§ 58 Abs. 1 Nr. 1 stellt auf die Verhinderung des an sich zuständigen Gerichts, nicht auf die Verhinderung einzelner Richter ab. Es müssen also alle Richterinnen und Richter des Gerichts verhindert sein. § 58 Abs. 1 Nr. 2 greift bei tatsächlicher Ungewissheit über die räumlichen Grenzen des Gerichtsbezirks ein. § 58 Abs. 1 Nr. 3 und 4 betreffen Fälle des positiven (Nr. 3) und des negativen (Nr. 4) Kompetenzkonflikts. Der Kompetenzkonflikt muss zwischen verschiedenen Gerichten bestehen. Er muss aufgrund rechtskräftiger Entscheidung bestehen. Gegen die Übernahme einer nach § 98 Abs. 1 verwiesenen Streitsache kann das Sozialgericht sich nur dann mit dem Antrag nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 wenden, wenn das Verfahren bei der Verweisung extreme Fehler aufweist oder sich als willkürlich darstellt (BSG, Beschluss v. 16.11.2006, B 12 SF 4/06 S; BSG, Beschluss v. 1.6.2005, B 13 SF 4/05, SozR 4-1500 § 58 Nr. 6 = SGb 2006 S. 116 mit Anm. Jung; BGH, Beschluss v. 10.8.1994, X ARZ 689/94 = NJW 1995 S. 534). Ansonsten ist der Verweisungsbeschluss unanfechtbar: Dem Interesse der Beteiligten an einer baldigen Sachentscheidung gebührt der Vorrang. Nur dann, wenn der Beschluss jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt, wenn er willkürlich gefasst ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs beruht, wird er nicht bindend und es bleibt Raum für die Entscheidung des Obergerichts zur Bestimmung der Zuständigkeit (BGH, Beschluss v. 10.12.1987, I ARZ 809/87 = BGHZ 102 S. 338 bis 343).

 

Rz. 3

Bei Kompetenzkonflikten zwischen den Spruchkörpern desselben Gerichts hat das Präsidium des Gerichts zu entscheiden. Lediglich bei negativem Zuständigkeitskonflikt zwischen Spruchkörpern des gleichen Gerichts mit gesetzlich geregeltem Zuständigkeitsbereich ist Abs. 1 Nr. 4 entsprechend anzuwenden (BSGE 26 S. 39).

 

Rz. 4

§ 58 Abs. 1 Nr. 5 setzt das Fehlen der örtlichen Zuständigkeit eines Sozialgerichts nach § 57 voraus; Zweifel über die Zuständigkeit reichen nicht aus. Ein solcher Fall kommt in Betracht, wenn mehrere Kläger, die in verschiedenen Gerichtsbezirken wohnhaft sind, in Streitgenossenschaft gemeinschaftlich Klage erheben (BSG, SSozR 1500 § 58 Nr. 2). Eine einfache, vom Willen der Beteiligten abhängige Streitgenossenschaft begründet jedoch grundsätzlich keinen Mangel der örtlichen Zuständigkeit i. S. v. § 58 Abs. 1 Nr. 5 (BSG, Beschluss v. 15.7.2011, B 12 SF 1/11). Sind lediglich selbstständige Anträge mehrerer Betriebskrankenkassen im einstweiligen Rechtsschutz aus Zweckmäßigkeitsgründen zusammengefasst worden, so lässt das die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich unberührt (BSG, Beschluss v. 16.10.2008, B 12 SF 10/08).

2.2 Verfahren

 

Rz. 5

Den Antrag auf Entscheidung über die Zuständigkeit kann ein mit dem Rechtsstreit befasstes Gericht oder ein Prozessbeteiligter stellen, auch Beigeladene sind dazu befugt. Zuständig für die Entscheidung ist das gemeinsame nächsthöhere Gericht. Dort ist der Antrag zu stellen. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss bei freigestellter mündlicher Verhandlung. Der Beschluss ist für die Beteiligten und das darin bestimmte Gericht bindend. Er hat jedoch lediglich den Charakter einer Anregung (Kummer, Das sozialgerichtliche Verfahren, V. Rn. 19). Die Verweisung hat auch dann nach Maßgabe des § 98 SGG zu erfolgen.

 

Rz. 6

Die Bindungswirkung ist jedoch nur begrenzt. Denn der Beschluss zur Zuständigkeitsbestimmung muss im Zusammenhang mit der gerichtlichen Entscheidung nach § 98 SGG i. V. m. §§ 17, 17a und § 17b Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GVG über die Verweisung bei Unzuständigkeit gesehen werden. Ist ein Verweisungsbeschluss ergangen, so ist dieser grundsätzlich auch für das Obergericht bindend und es bleibt kein Raum für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs. 2. Nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss besonders schwere Mängel aufweist (vgl. oben Rn. 2), kommt ihm diese Wirkung nicht zu.

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