Rz. 47
Ausgeschlossen ist ein Richter (oder Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, § 49 ZPO), wenn er als Zeuge oder Sachverständiger zu demselben Sachverhalt, nicht notwendig im selben Rechtsstreit, vernommen worden ist. Die Vernehmung in einem anderen Verfahren, sei es auch zu einem gleichen oder ähnlichen Beweisthema reicht nicht aus, da unter "Sache" i. S. v. § 41 Nr. 5 ZPO das konkrete Verfahren zu verstehen ist und eine analoge Anwendung der Ausschließungsvorschriften nicht in Betracht kommt (Vossler, in: BeckOK ZPO, § 41 Rn. 12). Die Vorschrift setzt die wirkliche Vernehmung des Richters als Zeuge voraus; die bloße Benennung des Richters als Zeuge führt die Ausschlusswirkung nicht herbei (BVerwG, Beschluss v. 6.11.2013, 3 PKH 4/13; Beschluss v. 12.10.1979, I WB 166.77; BFH, Beschluss v. 22.9.2008, II B 25/08; Beschluss v. 24.6.1999, IV R 42/98; OLG München, Beschluss v. 24.6.2016, 15 U 979/15 Rae; OLG München, Beschluss v. 28.6.2013, 34 SchH 5/13; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 41 Rn. 13). Demgemäß ist ein Richter nicht ausgeschlossen, wenn er selbst über den im Verfahren vor dem jeweiligen Gericht gestellten Antrag auf seine Vernehmung als Zeugen entscheidet. Dies gilt sowohl für den Fall, dass dieser Richter am Beweisbeschluss auf eigene Vernehmung mitwirkt als auch dann, wenn er an der Entscheidung über die Ablehnung seiner eigenen Vernehmung beteiligt ist (BFH, Beschluss v. 22.9.2008, II B 25/08). Die schriftliche Äußerung nach § 377 Abs. 3 ZPO steht der Vernehmung gleich (OLG München, Beschluss v. 24.6.2016, 15 U 979/15 Rae; OLG Frankfurt, Beschluss v. 14.10.1988, 3 UFH 12/88; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 41 Rn. 12). § 41 Nr. 5 ZPO betrifft zwar unmittelbar nur den Fall, dass eine Zeugenvernehmung des Richters tatsächlich stattgefunden hat (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, § 41 Rn. 11). Eine dienstliche Stellungnahme (§ 44 Abs. 3 ZPO) steht einer Vernehmung als Zeuge nicht gleich, denn es handelt sich dabei um kein Beweismittel (OLG München, Beschluss v. 24.6.2016, 15 U 979/15 Rae; Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 41 Rn. 16; Vossler, in: BeckOK-ZPO, § 41 Rn. 12). Die Unvereinbarkeit von Richteramt und Zeugenstellung kann aber auch bei einer lediglich materiellen Zeugenstellung des Richters berechtigte Zweifel daran begründen, dass er die für seine Unparteilichkeit wesentliche Distanz verloren hat (VerfGH Bayern, Entscheidung v. 19.8.2010, Vf. 41-VI-09; vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 42 Rn. 13; Vossler, in: BeckOK-ZPO, § 41 Rn. 12).
Rz. 48
Auf Sachverständige ist auf § 41 Nr. 5 ZPO nicht anwendbar (vgl. Rz. 9). Wortgetreu wäre ein Sachverständiger in Sachen ausgeschlossen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist. Das würde bedeuten, dass ein erstinstanzlich als Zeuge oder Sachverständiger gehörter Sachverständiger im Berufungsverfahren ausgeschlossen wäre. Dieses Ergebnis greift aus mehreren Gründen nicht. Zum einen kennt das sozialgerichtliche Verfahren keine Ausschließung eines Sachverständigen kraft Gesetzes (BSG, Beschluss v. 19.10.1959, 9 RV 614/56). Nach § 118 Abs. 1 SGG gilt für Sachverständige im SGG-Verfahren § 406 Abs. 1 bis 4 ZPO. Ein Ausschluss kraft Gesetzes ist nicht vorgesehen. Vielmehr kann ein Sachverständiger (nur) aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden (§ 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nach § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter in Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Liegt mithin eine der in § 41 ZPO geregelten Fallgestaltungen vor, ist der Sachverständige nicht ausgeschlossen, vielmehr kann er nur abgelehnt werden. Indessen kann ein in zweiter Instanz gehörter Sachverständige auch nicht deswegen mit Erfolg abgelehnt werden, weil er bereits in erster Instanz gehört worden ist. Angesichts der den Sachverständigen nach §§ 402 ff. ZPO treffenden Pflichten und angesichts seiner spezifischen Stellung als neutraler Augenscheingehilfe des Richters ist allein aus dem Umstand, dass er in der Sache bereits gehört worden ist, nichts abzuleiten, was Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit rechtfertigen könnte (§ 42 Abs. 2 ZPO). Ein Sachverständiger, der in der ersten Instanz im Rahmen der Beweisaufnahme vernommen worden ist, kann daher im Berufungsverfahren nicht in entsprechender Anwendung des § 41 Nr. 5 ZPO oder des § 41 Nr. 6 ZPO mit Erfolg abgelehnt werden (BGH, Beschluss v. 1.2.1961, IV ZB 400/60; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.3.2014, I-26 W 16/13 (AktE); LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 23.7.2007, L 7 R 105/06; OLG Köln, Beschluss v. 27.3.1990, 22 W 17/90; Musielak/Voit, ZPO, § 406 Rn. 3; Zöller/Greger, ZPO, § 406 Rn. 9; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 406 Rn. 6). Der gegenteiligen Auffassung (Kahlke, ZZP 1994 S. 50, 60) kann aus Gründen der Einheit des Verfahrens (hierzu OLG Köln, a. a. O.), aus systematischen Gründen (hierzu LSG Schleswig-Holstein, a. a. O.) und angesichts des abschließenden Charakters des § 41 ZPO