Rz. 126
Die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß §§ 118 Abs. 1 Satz 1, 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 406 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, § 42 Abs. 2 ZPO findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der vom Gericht beauftragte Sachverständige nachweislich parteilich ist oder ob das Gericht selbst Zweifel an der Parteilichkeit des Sachverständigen hat. Vielmehr müssen vom Standpunkt des Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unbefangenheit, Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit des Sachverständigen zu zweifeln (vgl. BSG, Beschluss v. 31.7.1985, 9a RVs 5/84; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 8.6.2016, 13 E 341/16). Eine rein subjektive, unvernünftige Vorstellung ist unerheblich. Ein im Rahmen gebotener Verfahrensweise liegendes Verhalten kann keinen Ablehnungsgrund begründen (LSG, Baden-Württemberg, Beschluss v. 7.9.2009, L 10 R 3976/09 B). Die Ablehnung ist nur berechtigt, wenn Umstände auch bei nüchtern denkenden Beteiligten die Befürchtung rechtfertigen könnten, der Sachverständige habe sich einseitig festgelegt.
Rz. 127
Ein vom Gericht mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragter Sachverständiger steht in keinen vertraglichen Beziehungen zum Gericht und zu den Parteien des Rechtsstreits (Zöller/Greger, ZPO, § 402 Rn. 10; Stein/Jonas/Berger, ZPO, vor § 402 Rn. 68). Als weisungsgebundener Gehilfe des Gerichts unterstützt er dieses bei der Auswertung ihm vorgegebener Tatsachen. Bei einem streitigem Sachverhalt hat das Gericht zu bestimmen, welche Tatsachen der Sachverständige der Begutachtung zugrunde legen soll (§ 404a Abs. 3 ZPO). Eine Übertragung der Tatsachenfeststellung auf den Sachverständigen ist zulässig, wenn dafür die dem Gericht fehlende besondere Sachkunde des Sachverständigen in Anspruch genommen werden muss (Zöller/Greger, ZPO, § 404a Rn. 5; Musielak/Voit/Huber, ZPO, § 402 Rn. 1).
Rz. 128
Ein Verfahrensfehler eines Sachverständigen rechtfertigt nicht ohne Weiteres die Besorgnis der Befangenheit. Erforderlich ist vielmehr, dass sich etwa durch die Art oder Häufung von Verfahrensfehlern zum Nachteil einer Partei bei einer vernünftigen und besonnenen Partei der Eindruck unsachlicher Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des abgelehnten Sachverständigen ergibt (OLG Bremen, Beschluss v. 9.1.2012, 3 W 28/11). Grundsätzlich ist der Sachverständige an das ihm vorgegebene Beweisthema und die ihm erteilten Weisungen gebunden. Die Grenzen sind fließend, die Rechtsprechung nicht konsistent und stark vom Einzelfall geprägt. So kann es einen Befangenheitsgrund darstellen, wenn der Sachverständige über die ihm gezogenen Grenzen hinausgeht, ohne auf eine Ergänzung des Beweisbeschlusses hinzuwirken, und damit den Eindruck erweckt, er wolle anstelle des Gerichts festlegen, welche Fragen beweisbedürftig seien (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 31.1.2017, II-6 WF 6/17; OLG Celle, Beschluss v. 18.1.2002, 14 W 45/01). Bewertet ein Sachverständiger außerhalb seines Gutachtensauftrages die Glaubhaftigkeit streitiger Tatsachen, ohne diese auf objektive Beweismittel oder eigene konkrete Erkenntnisse tatsächlicher Art stützen zu können, soll die Besorgnis der Befangenheit gegeben sein (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 18.11.2015, 18 UF 99/15). Ein Befangenheitsgrund ist hingegen nicht gegeben, wenn die Überschreitung des Gutachtenauftrags auf einem Missverständnis des Sachverständigen beruht (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 4.9.2013, 9 W 28/13). Andererseits: Eine Überschreitung des Gutachtensauftrags begründet für sich genommen noch nicht die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen. Notwendig ist die Feststellung, dass sich dem Verhalten des Sachverständigen Belastungstendenzen entnehmen lassen, die aus der Sicht einer Partei bei vernünftiger Betrachtung den Eindruck der Voreingenommenheit erwecken. Nicht ausreichend ist der Vorwurf, der Sachverständige habe durch die Überschreitung Aufgaben des Gerichts wahrgenommen oder dem Gericht durch seine Feststellungen den Weg zu einer dem Antragsteller ungünstigen Entscheidung aufgezeigt (so OLG Bamberg, Beschluss v. 7.3.2017, 4 W 16/17).
Rz. 129
Im Einzelnen sind feinsinnige Unterscheidungen angezeigt. So judiziert das OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss v. 17.2.2015, 5 L 60.14), der weitere Einwand der Beschwerde, der Sachverständige habe den Begriff "deutlich histrionisch" diffamatorisch gebraucht, weil er insoweit keine Befundtatsachen angegeben und keine wissenschaftliche Erörterung vorgenommen habe, sei gegen die fachliche Qualität des Gutachtens gerichtet und nicht geeignet, die Unparteilichkeit des Sachverständigen in Frage zu stellen. Abgesehen davon werde die Angabe im Gutachten, die Leidensdarstellung der Klägerin sei "mäßig klagsam und leidensfixiert bei deutlich histrionisch dramatisierender Ausgestaltung", durchaus nicht ...