Rz. 187

Die Vorschrift bezieht sich nur auf Ablehnung wegen Befangenheit, denn ein ausgeschlossener Richter ist von vornherein gehindert, Amtshandlungen vornehmen. Ist ein Ablehnungsantrag gestellt worden, hat der betroffene Richter sich jeder weiteren Tätigkeit zu enthalten. Die Norm gilt nur für den abgelehnten, nicht jedoch für den ausgeschlossenen Richter (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 47 Rn. 1; Prütting/Gehrlein/Graßnack, ZPO, § 47 Rn. 1). Mit der Anbringung des Gesuchs wird dem Richter das Vertrauen entzogen. Da aber noch ungeklärt ist, ob das Gesuch gerechtfertigt ist, bestimmt das Gesetz für die Übergangszeit einen Interessenausgleich, demzufolge dem Richter einerseits eine Wartefrist auferlegt wird, er andererseits aber dringende Handlungen vornehmen kann. Eine Modifizierung ist nach Abs. 2 für die mündliche Verhandlung vorgesehen, um nur der Verzögerung dienenden Ablehnungsanträgen vorzubeugen(Zöller/Vollkommer, ZPO, § 47 Rn. 3a). Entgegen dem Wortlaut umfasst die Wartefrist auch die Selbstablehnung (Prütting/Gehrlein/Graßnack, ZPO, § 47 Rn. 1; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 47 Rn. 1).

 

Rz. 188

Ein abgelehnter Richter ist allerdings in zwei Fällen nicht gehindert, weiter mitzuwirken, nämlich in den klaren Fällen

Eine völlige Ungeeignetheit eines Ablehnungsgesuchs ist anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Ist hingegen eine – wenn auch nur geringfügige – Befassung mit dem Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet eine Ablehnung als unzulässig aus, denn diese würde Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verletzen (so BSG, Beschluss v. 13.11.2017, B 13 R 152/17 B).

 

Rz. 189

Wird ein abgelehnter Richter ungeachtet des Handlungsverbots tätig, kann dies einen neuen Befangenheitsgrund darstellen. Ein Verstoß gegen die Wartepflicht ist als Ablehnungsgrund anzusehen, soweit der abgelehnte Richter damit den Eindruck entstehen lässt, dass ihm das Ablehnungsgesuch egal sei und er das laufende Ablehnungsverfahren nicht zu berücksichtigen brauche (OLG Brandenburg, Beschluss v. 6.4.2017, 10 WF 34/17). Fordert der abgelehnte Richter eine Leseabschrift des Befangenheitsgesuchs an, verstößt er gegen § 47 ZPO (so OLG München, Beschluss v. 7.2.2018, 13 W 119/18). Allerdings rechtfertigt nicht jeder Verstoß gegen die Wartepflicht eine Besorgnis der Befangenheit. Eine solche wird regelmäßig nur bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen angenommen, nicht aber z. B. dann, wenn die als fehlerhaft gerügte Anwendung des § 47 Abs. 1 ZPO bei objektiver Betrachtung zumindest vertretbar erscheint oder ein einmaliger Verstoß auf einem offensichtlichen Versehen beruht (vgl. BGH, Urteil v. 15.9.2016, III ZR 461/15OLG Hamburg, Beschluss v. 30.6.2017, 3 U 130/16). Ausgehend hiervon ist der Entscheidung des OLG München (a. a. O.) nicht zu folgen.

 

Rz. 190

Ist ein Ablehnungsgesuch zu Recht zurückgewiesen worden, wird ein eventueller Verstoß des abgelehnten Richters gegen die Wartepflicht geheilt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 30.11. 1987, 1 BvR 1033/87; BSG, Beschluss v. 23.10.2017, B 4 AS 49/17 BH; BVerwG, Beschluss v. 25.1.2016, 2 B 34/14; BGH, Beschluss v. 15.7.2004, IX ZB 280/03). Dann steht fest, dass der verfassungsmäßig garantierte Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) die Entscheidung getroffen hat (BFH, Beschluss vom 4.12.2017, X B 91/17).

 

Rz. 191

Das Handlungsverbot beginnt mit Anbringung des Ablehnungsantrags (BGH, Urteil v. 15.9.2016, III ZR 461/15; Urteil v. 8.2.2001, III ZR 45/00), grundsätzlich auch für den Fall eines unzulässigen Antrags (vgl. BSG, Beschluss v. 1.8.2000, B 9 SB 24/00 B). Nach anderer Ansicht löst die Einlegung eines unstatthaften Rechtsmittels gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs (§ 46 Abs. 2 HS 2 ZPO) eine weitere Wartepflicht des erfolglos abgelehnten Richters nicht aus (BGH, Beschluss v. 8.11.2004, II ZB 41/03; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 47 Rn. 2 für unstatthafte Rechtsmittel). Eine Ausnahme des in § 47 Abs. 1 ZPO statuierten Grundsatzes enthält seit dem 1.9.2004 § 47 Abs. 2 ZPO. Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, ist der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen. Diese Vorschrift soll den Rechtsgedanken des § 29 StPO in die ZPO übertragen und missbräuchlichen Ablehnungsgesuchen in Verzögerungsabsicht vorbeugen (BT-Drs. 15/1508 S. 16).

 

Rz. 192

Das Handlungsverbot endet mit der rechtskräftigen Entscheidung über das Gesuch. Wird Beschwerde gegen die das Befangenheitsgesuch ...

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