Rz. 195
Der Richter muss eine dienstliche Äußerung abgeben, die sich mit dem Vorbringen des Beteiligten auseinandersetzt. Dieses Zeugnis ist keine förmliche Zeugenaussage, sondern eine zum engeren Bereich richterlicher Tätigkeit gehörende und damit der Dienstaufsicht entzogene (BGH, Urteil v. 8.8.1986, RiZ 2/86 m. w. N.; Urteil v. 18.4.1980, RiZ [R] 1/80) schriftliche oder mündliche dienstliche Äußerung, zu der nach Abs. 3 der abgelehnte Richter bei Bezugnahme des Beteiligten auf Anforderung des Gerichts verpflichtet ist. Sofern sich der Richter weigert oder er sich unzureichend äußert, kann das Gericht ihn als präsenten Zeugen vernehmen. Ggf. kann unterstellt werden, dass er dem Akteninhalt nichts hinzuzufügen hat. Eine Pflicht zur Äußerung aus eigener Initiative enthält Abs. 3 nicht.
Rz. 196
Eine dienstliche Stellungnahme bedarf es bei offensichtlicher Unzulässigkeit nicht. Eine solche ist allerdings nicht ausgeschlossen (BSG, Beschluss v. 23.10.2017, B 8 SO 28/17 BH; OVG Saarland, Beschluss v. 23.5.2017, 2 D 379/17; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 13.2.2014, L3 SF 39/14 AB; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 1.10.2013, 12 A 1323/13). Für offensichtlich unbegründete Gesuche gilt Entsprechendes (hierzu auch Günther, NJW 1986 S. 284).
Rz. 197
Entbehrlich ist eine dienstliche Stellungnahme auch dann, wenn die Bewertung des generalisierend vorgebrachten Einwands keiner weiteren auf die Person des jeweils abgelehnten Richters bezogenen Aufklärung bedarf (BVerwG, Beschluss v. 29.1.2014, 7 C 13/13). Die dienstliche Äußerung ist ferner entbehrlich, wenn die maßgebenden Tatsachen anhand der Akten eindeutig feststellbar sind und der abgelehnte Richter dem in tatsächlicher Hinsicht nichts hinzufügen könnte (BSG, Beschluss v. 29.3.2007, B 9a SB 18/06 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 20.12.2011, L 11 SF 399/11; Beschluss v. 8.11.2006, L 10 AR 79/06 AB; Musielak/Heinrich/Voit, ZPO, § 44 Rn. 9; Wieczorek/Schütze/Niemann, ZPO, § 44 Rn. 16) oder der Ablehnungsgrund erkennbar nicht trägt (Prütting/Gehrlein/Graßnack, ZPO, § 44 Rn. 6), also unschlüssig ist.
Rz. 198
Sofern das Ablehnungsgesuch ausschließlich auf behauptete Verstöße gegen materielles Recht bei der richterlichen Entscheidungsfindung und auf vermeintliches Fehlverhalten bei der Sachverhaltsbeurteilung gestützt wird, muss sich die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters dann nicht zu einzelnen Beanstandungen des Ablehnungsgesuchs verhalten, wenn dies letztlich auf eine nachträgliche Rechtfertigung der Entscheidung hinauslaufen würde (BVerwG, Beschluss v. 23.10.2007, 9 A 50/07, 9 VR 19/07, 9 VR 21/07). Die dienstliche Stellungnahme ist kein Selbstzweck. Zu diesem verkommt sie aber, wenn erwartet wird, dass ein abgelehnter Richter, der im Ablehnungsverfahren nicht zu Ausführungen verpflichtet ist, wie der Sachverhalt rechtlich zu werten ist, den sich aus den Akten ergebenden oder von einem Antragsteller vorgetragenen unstreitigen Sachverhalt wiederholt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 20.12.2011, L 11 SF 399/11; Beschluss v. 22.7.2011, L 11 SF 210/11 AB).
Rz. 199
Im Einzelfall kann eine mangelhafte dienstliche Äußerung eines Richters die Besorgnis der Befangenheit begründen (LSG Bayern, Beschluss v. 29.4.2002, L 5 AR 31/02 SB). Die Stellungnahme sollte so knapp und sachlich wie möglich gefasst sein. Kontraproduktiv ist eine dienstliche Äußerung, wenn sie einen neuen Befangenheitsgrund liefert. Hierzu illustrativ BSG, Beschluss v. 25.10.2012, B 9 V 17/12 B: "Das LSG hat die zur Begründung des Ablehnungsgesuchs eingereichten Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 22.10.2011 und 17.11.2011 zwar erwähnt, sich in seinen Beschlussgründen jedoch nur mit Vorbringen des Klägers befasst, das nicht geeignet erscheint, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (Rechtsauffassung des abgelehnten Richters)." Hingegen ist es gerade auf die Punkte nicht eingegangen, die als Ablehnungsgrund in Betracht kommen (Äußerungen des Richters, durch die sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers persönlich angegriffen gefühlt hat). Insbesondere die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters vom 28.10.2011 enthält Ausführungen, die bei der Behandlung des Ablehnungsgesuches einer genauen Prüfung hätten unterzogen werden müssen. So hat dieser Richter dargelegt, er finde es bedenklich, wenn Kläger versuchten, durch Befangenheitsanträge das Gericht "auf Kurs zu bringen". Auch ist im Zusammenhang mit Rechtsansichten der Prozessbevollmächtigten des Klägers von "verfehlten Meinungen" und einer "abwegigen Ansicht" die Rede. Weiter heißt es dort: "Das Schreiben vom 22.10.2011 zeigt wie schon das vom 14.10., dass sich die Sache mittlerweile nur noch im Kreis dreht, Frau P. aber immer mehr Verdrossenheit aufbaut. Da von ihr immer nur das Gleiche kommt, andererseits meine Äußerungen, die sie nicht hören will, sie zu provozieren scheinen, sehe ich keinen Grund mehr, weiter schriftlich über die schon reichlich erörterten Punkte zu diskutieren – wobei natür...