Rz. 209
Zuständig für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen einen Richter des SG war bis zum 31.12.2011 das LSG (§ 60 Abs. 1 Satz 2 SGG a. F.), bei Ablehnung eines Richters am LSG oder am BSG (§ 171 Abs. 1 SGG) der Senat, dem der Richter angehört in der Besetzung mit dem Vertreter des abgelehnten Richters. § 60 Abs. 1 Satz 2 SGG ist durch Art. 8 Nr. 4 Buchst. a und b des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 3057) mit Wirkung zum 1.1.2012 aufgehoben worden (vgl. Rz. 2). Nunmehr entscheidet das SG und nicht mehr das LSG über Ausschließung und Ablehnung von beim SG tätigen Gerichtspersonen. Über einen Ablehnungsantrag gegen Richter des LSG oder des BSG entscheidet der jeweilige Spruchkörper grundsätzlich ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters (Ausnahme: offensichtlich unzulässiges oder missbräuchliches Gesuch). Für diesen tritt der durch das Präsidium bestellte Vertreter ein (vgl. Rz. 211).
Rz. 210
Fraglich ist, wer innerhalb des SG für die Entscheidung über Befangenheitsgesuche zuständig ist. Die Antwort hierauf berührt den sensiblen Bereich des gesetzlichen Richters und ist von wesentlicher Bedeutung dafür, ob nach § 45 Abs. 1 oder Abs. 2 ZPO zu verfahren ist. Nach § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Wird hingegen ein Richter am Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter des Amtsgerichts über das Gesuch (Satz 1). Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der abgelehnte Richter das Gesuch für begründet hält (Satz 2).
Rz. 211
Dem § 45 Abs. 1 ZPO ist zuzuordnen, wenn ein Richter am LG, OLG oder BGH abgelehnt wird (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 45 Rn. 4). Infolge des § 60 Abs. 1 SGG greift diese Norm entsprechend auf den Fall der Ablehnung eines Richters am LSG oder BSG. Grundsätzlich entscheidet das Kollegium, dem der Abgelehnte angehört, ohne ihn unter Eintritt des geschäftsplanmäßigen Vertreters (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 45 Rn. 4). Ausgehend hiervon ist der Anwendungsbereich des § 45 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestimmt. Gemäß dem Wortlaut bezieht sich die Norm auf den Fall, dass ein Richter am Amtsgericht abgelehnt wird. Ein Kollegium existiert hier nicht. Demzufolge entscheidet ein anderer Richter des Amtsgerichts. Das ist auf die Ablehnung eines Richters am SG zu übertragen. Das SG entscheidet durch Kammern in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und 2 ehrenamtlichen Richtern (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGG). Das meint die mündliche Verhandlung, denn bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG). Wird mithin der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung für befangen erklärt, tritt an seine Stelle der geschäftsplanmäßige Vertreter (§ 60 Abs. 1 i. V. m. § 45 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Wird der Vorsitzende außerhalb der mündlichen Verhandlung für befangen erklärt, gilt grundsätzlich nichts anderes. Allerdings kann das Präsidium für diesen Fall einen anderen Spruchkörper bestimmen, der durch seinen Vorsitzenden (§ 12 Abs. 2 Satz 2) über das Befangenheitsgesuch zu entscheiden hat.