2.6.1 Beschwerde

 

Rz. 213

Entscheidet das SG über den Befangenheitsantrag, ist die Beschwerde im Gegensatz zur früheren Rechtslage (hierzu ausführlich LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 29.5.2012, L 11 KR 206/12 B; Beschluss v. 7.5.2012, L 11 SO 108/12 B) nicht statthaft. Dieses Ziel hat der Gesetzgeber rechtssicher erst im zweiten Anlauf erreicht. Obwohl § 172 Abs. 2 SGG i. d. F. des SGGArbGGÄndG v. 26.3.2008 (BGBl. I 444) mit Wirkung zum 1.4.2008 bestimmte, dass u. a. Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden können, war eine Beschwerde dennoch zulässig, weil § 60 Abs. 1 SGG durch Bezugnahme auf §§ 41 bis 49 ZPO auch die Anwendung des § 46 Abs. 2 HS 2 ZPO vorschrieb, nach dem gegen einen Beschluss, durch den ein Befangenheitsgesuch für unbegründet erklärt wird, die sofortige Beschwerde stattfindet (vgl. dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 22.10.2012, L 11 AS 1240/12 B; Beschluss v. 24.9.2012, L 11 U 416/12 B; Beschluss v. 29.5.2012, L 11 KR 206/12 B; Beschluss v. 7.5.2012, L 11 SO 108/12 B). Die gegenläufig geäußerten Rechtsauffassungen verkannten, dass der Wille der Gesetzgebers für den Normanwender kein Befehl und insbesondere darauf zu überprüfen ist, ob und inwieweit in der Gesetzesbegründung geäußerte Vorstellungen mit herkömmlichen juristischen Erkenntnismethoden im Einklang stehen (schon im Ansatz fehlerhaft daher Wedel, NZS 2012 S. 716; hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 22.10.2012, L 11 AS 1240/12 B). Infolge dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber nachgebessert. Mit Art. 7 des BUK-NOG v. 19.10.2013 hat er § 60 Abs. 1 SGG dahingehend geändert, dass § 46 Abs. 2 HS 2 ZPO nicht mehr in Bezug genommen wird. Infolgedessen gilt seither allein § 172 Abs. 2 SGG, nach dem eine Beschwerde gegen Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen ausgeschlossen ist. Diese Regelungen sind nach Art. 17 Abs. 1 BUK-NOG mit Wirkung des Tages nach Verkündung des BUK-NOG, mithin am 25.10.2013 in Kraft getreten (hierzu u. a. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 7.3.2014, L 11 AS 2347/13 B).

 

Rz. 214

Die Entscheidung des LSG kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG). Auch die Entscheidung des BSG ist endgültig.

 

Rz. 215

Ob Entscheidungen der Sozialgerichte über die Ablehnung von Sachverständigen seit Inkrafttreten des SGGArbGGÄndG v. 26.3.2008 (BGBl. I S. 444) mit der Beschwerde anfechtbar sind, war umstritten. Teils wurde die Beschwerdemöglichkeit in analoger Anwendung des § 172 Abs. 2 SGG verneint (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 27.1.2010, L 7 R 3206/09 B, krit. hierzu Hellweg, ZMGR 2011 S. 184), teils wurde sie als statthaft angesehen (LSG Bayern, Beschluss v. 25.9.2015, L 2 SF 64/13 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 11.10.2013, L 11 KR 423/13 B; Beschluss v. 28.11.2012, L 11 KR 335/12 B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 4.1.2011, L 4 KR 324/10 B). Dieser Meinungsstreit ist überholt. Die Beschwerde ist infolge Änderung des § 172 Abs. 2 SGG durch Art. 7 Nr. 11 Buchst. a BUK-NOG v. 19.10.2013 (BGBl I 836) gemäß Art. 17 Abs. 1 des Gesetzes seit 25.10.2013 nicht mehr statthaft.

2.6.2 Rechtsschutz über das Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung

 

Rz. 216

Der Beschluss eines LSG über einen Befangenheitsantrag unterliegt nicht der revisionsgerichtlichen Kontrolle. Die Ablehnung eines Befangenheitsantrags ist eine nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbare Entscheidung und nach § 202 SGG i. V. m. § 557 Abs. 2 ZPO der revisionsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Einer Überprüfung des Befangenheitsgesuchs durch das BSG steht grundsätzlich die Sperrwirkung des § 202 SGG i. V. m. § 557 Abs. 2 ZPO entgegen. Zwar gilt nach § 160 Abs. 1 SGG, dass mit der Revision nur Urteile des LSG oder in Fällen des § 161 SGG des SG anfechtbar sind. Nicht revisibel sind hingegen z. B. Beschlüsse des LSG, die nach § 177 SGG unanfechtbar sind, wie etwa eine Entscheidung über einen Befangenheitsantrag. Insoweit greift auch im sozialgerichtlichen Verfahren § 557 Abs. 2 ZPO ein (vgl. BSG, Beschluss v. 5.8.2003, B 3 P 8/03 B; Urteil v. 29.1.1959, 3 RK 7/55; vgl. auch BAG, Beschluss v. 20.1.2009, 1 ABR 78/07; für die VwGO vgl. BVerwG, Beschluss v. 15.8.2017, 4 BN 22.17). Deshalb ist eine inzidente Überprüfung der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über ein Ablehnungsgesuch im Rahmen einer Revision oder Rechtsbeschwerde gegen die unter Mitwirkung der erfolglos abgelehnten Richter getroffene Hauptentscheidung ausgeschlossen (BVerwG, Beschluss v. 15.8.2017, 4 BN 22.17; BAG, Beschluss v. 23.9.2008, 6 AZN 84/08; BGH, Beschluss v. 30.11.2006, III ZR 93/06). Die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags kann indes ausnahmsweise dann einen Verfahrensfehler i. S. d. § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG begründen, wenn die Behandlung eines Ablehnungsantrags so fehlerhaft ist, dass durch die weitere Mitwirkung des Richters das Verfahrensgrundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt ist (vgl. Rz. 217). Das ist dann der Fall, wenn willkürliche oder manipulative Erwägungen für die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs bestimmend waren (BSG,

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