Rz. 5
Im gesamten gerichtlichen Verfahren sind die Beteiligten über alle prozessrechtlich relevanten Vorgänge zu unterrichten. Dazu gehört die Übermittlung der Schriftsätze der übrigen Beteiligten nach §§ 104, 108 Satz 2 SGG, ferner die Mitteilung der von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen wie etwa Auskunftsersuchen, Beweisbeschlüsse einschließlich der Ergebnisse der Sachaufklärungsmaßnahmen. Hierzu gehört auch die Mitteilung, dass vom Gericht veranlasste Aufklärungsversuche gescheitert sind, damit der die objektive Beweislast tragende Beteiligte die Möglichkeit hat, auf anderweitige Wege der Sachaufklärung hinzuweisen (BSG, Beschluss v. 6.2.2007, B 8 KN 16/05 B, SozR 4-1500 § 160 Nr. 12). Wann allerdings das Gericht dieser ihm auferlegten Pflicht nachkommt, unterliegt grundsätzlich seinem Ermessen. So kann es umfangreiche Ermittlungen durchführen, deren Ergebnisse (z. B. Befundberichte) zunächst sammeln, um sie den Beteiligten dann "en bloc" zu übersenden. Entsprechend kann vorgegangen werden, wenn mehrere Sachverständigengutachten eingeholt werden (hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 20.2.2010, L 11 AR 140/09 AB). Wann und unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise die nicht zeitige Übersendung von Ermittlungsergebnissen oder sonstigem Schriftwechsel der Beteiligten den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, unterliegt der Einzelfallbeurteilung.
Rz. 6
Soweit Beweisaufnahmetermine stattfinden, sind die Beteiligten zu benachrichtigen, insbesondere damit sie Gelegenheit haben, ihrerseits Fragen zu stellen (§ 116 SGG). Werden Akten oder Röntgenbilder beigezogen, sind die Beteiligten hiervon zu unterrichten.
Rz. 7
Die Frage, ob und inwieweit rechtliches Gehör gewährt worden ist, unterliegt keiner Prüfung durch die Dienstaufsicht, was von dieser vielfach fehlerhaft verkannt wird. Entscheidet sich der Richter, beigezogene Unterlagen nicht sogleich oder den Beteiligten auch gar nicht zu übermitteln, mag gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen worden sein (vgl. Rz. 5), was im Rechtsmittelverfahren zu rügen und ggf. zu korrigieren ist. Etwaige Beanstandungen durch die Dienstaufsicht würden in den Kernbereich der richterlichen Tätigkeit eingreifen und wären rechtswidrig (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 22.2.2010, L 11 AR 140/09 AB).
Rz. 8
Die Beteiligten können ggf. Akteneinsicht nehmen (§ 120 SGG). Nicht zu den Akten gehören Notizen des Richters, Entwürfe zu gerichtlichen Entscheidungen (§ 120 Abs. 4 SGG) und die zur internen Vorbereitung des Senats gefertigten Voten.
Rz. 9
Wird im Zuge der Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses (§ 112 Abs. 2 Satz 2 SGG) mit den Beteiligten ein Rechtsgespräch geführt, sind dies keine Festlegungen, auf die sich die Beteiligten bei ihrer weiteren Prozessführung dauerhaft einstellen können (vgl. BSG, Beschluss v. 12.4.2005, B 2 U 135/04 B, SozR 4-1500 § 124 Nr. 1). Dies gilt insbesondere, wenn ein Erörterungstermin allein vom Berichterstatter durchgeführt wird und später der mit 3 Berufs- und 2 ehrenamtlichen Richtern besetzte Senat entscheidet, in dessen Beratung der Berichterstatter schlicht überstimmt werden kann. Nur wenn das Gericht nach Durchführung einer förmlichen Beratung seine Rechtsauffassung zu einer entscheidungserheblichen Frage zu Protokoll gibt und hieran Vorschläge für eine sachgerechte Lösung und prozessuale Behandlung des Falles knüpft, beinhaltet dies eine zumindest vorläufige rechtliche Festlegung, die den Beteiligten als Grundlage für ihre weiteren Dispositionen dienen mag (BSG, Beschluss v. 18.7.2011, B 14 AS 86/11 B).
Rz. 10
Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet die Gerichte nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (BSG, Beschluss v. 19.12.2016, B 9 SB 17/16 B; Beschluss v. 10.7.2016, B 11 AL 30/16 B). Die Gerichte sind auch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (vgl. Rz. 1); es muss nur das Wesentliche der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienende Vorbringen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. BVerfG, Beschluss v. 20.2.2008, 1 BvR 2722/06, BVerfGK 7 S. 485, 488; vgl. auch Rz. 1 und 27). Es gibt ferner keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (BVerfG, Beschluss v. 25.1.1984, 1 BvR 272/81, NJW 1984 S. 1741; Beschluss v. 19.5.1992, 1 BvR 986/91, DVBl 1992 S. 1215; BSG, Beschluss v. 9.2.2011, B 11 AL 71/10 B; Beschluss v. 17.2.1999, B 2 U 141/98 B, HVBG-Info 1999 S. 3700; Beschluss v. 13.10.1993, 2 BU 79/93, SozR 3-1500 § 153 Nr. 1; Beschluss v. 31.8.1993, 2 BU 61/93, HVBG-Info 1994 S. 209; LSG Thüringen, Beschluss v. 28.4.2011, L 6 SF 592/11 B RG.
Rz. 11
Art. 103 Abs. 1 GG gebietet lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gew...