2.2.1 Zustellung durch Aushändigung an der Amtsstelle (§ 173 ZPO)
Rz. 18
Bei der Zustellung durch das Gericht (§ 173 ZPO) händigt der zustellende Bedienstete das Schriftstück dem Empfänger oder seinem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter an der Amtsstelle aus. Amtsstelle ist dabei jeder Dienstraum des Gerichts, aber auch jeder andere Ort, an dem gerichtliche Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. BT-Drs. 14/4554 S. 17). Aushändigung bedeutet persönliche Übergabe (nicht Einlegen in Anwaltsfach) durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, einen von ihm Beauftragten, Richter oder Rechtspfleger (Hüßstege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 173 Rn. 2). Der Empfänger muss Annahmewillen haben ().
Zum Nachweis der Zustellung dient ein Vermerk auf dem Schriftstück und in den Akten, dass und wann es zum Zweck der Zustellung ausgehändigt wurde. Bei Aushändigung an den Vertreter ist dessen Name und die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zu vermerken. Der Vermerk ist von dem Bediensteten zu unterschreiben, der die Aushändigung vorgenommen hat. Die Aufnahme der Übergabe in ein gerichtliches Protokoll ersetzt den vorgesehenen Vermerk.
2.2.2 Zustellung gegen Empfangsbekenntnis (§ 174 ZPO)
Rz. 19
§ 174 ZPO schafft eine erleichterte Möglichkeit der Zustellung an Zustellungsadressaten, bei denen aufgrund ihres Berufes mit hinreichender Sicherheit erwartet werden kann, dass sie das Empfangsbekenntnis unverzüglich zurücksenden. Die Norm nennt den Kreis der Personen, an die gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden kann und eröffnet die Möglichkeit, die Mittel der modernen Bürokommunikation für die Zustellung zu nutzen. Gegen Empfangsbekenntnis wird insbesondere zugestellt an Rechtsanwälte und Behörden. Das Gericht kann sich der vereinfachten Zustellung nach § 174 ZPO bedienen, muss dies aber nicht. Besteht etwa der Verdacht, dass Empfangsbekenntnisse nicht zum Zeitpunkt des tatsächlichen Empfangs unterschrieben werden und damit das besondere Vertrauen, das der Gesetzgeber in die in § 174 Abs. 1 ZPO genannten Personen setzt (vgl. BSG, Urteil v. 23.3.1966, 9 RV 334/63, SozR Nr. 4 zu § 5 VwZG), nicht gerechtfertigt ist, kann auch auf andere Weise zugestellt werden.
Rz. 20
Die Zustellung von Amts wegen nach § 174 Abs. 1 ZPO ist dann wirksam, wenn das mit Empfangsbekenntnis zugestellte Schriftstück in den Machtbereich des Zustellungsadressaten gelangt ist. Ein von einer Rechtsanwaltsfachangestellten des Prozessbevollmächtigten unterzeichnetes Empfangsbekenntnis bewirkt hingegen keine Zustellung, denn ein Rechtsanwalt als Zustellungsadressat kann sein Büropersonal nicht wirksam zur Entgegennahme von Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO ermächtigen (BSG, Beschluss v. 23.4.2009, B 9 VG 22/08 B, NJW 2010 S. 317; vgl. auch Rz. 22 ff.). Der Zustellungsadressat kann bei nicht natürlichen Personen grundsätzlich nur der "Leiter" der Behörde sein, an den die Zustellung zu bewirken ist (§ 170 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 63 Abs. 2 SGG). Damit ist bei Behörden die Zustellung nur ab dem Zeitpunkt wirksam, zu dem das zuzustellende Schriftstück dem Behördenleiter oder dem im Prozess Vertretungsberechtigten der Behörde zugegangen ist. Dieser ist berechtigt, das Empfangsbekenntnis zu unterschreiben. Bedienstete der Poststelle einer Behörde gehören nicht zu diesem Personenkreis (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.6.2008, L 1 U 3732/07, UV-Recht Aktuell 2008 S. 983). Die Entscheidung des Zustellungsadressaten, ein vom Absender übersandtes Schriftstück nicht im Original, sondern auf andere Weise (Kopie oder elektronische Datei) zum Zwecke der Zustellung zur Kenntnis zu nehmen, begründet keinen Zustellungsmangel (LSG Baden-Württemberg, a. a. O.). § 63 Abs. 2 Satz 2 stellt klar, dass u. a. die Verbandsvertreter den beispielhaft aufgeführten Berufsgruppen, bei denen aufgrund ihres Berufs von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, gleichstehen.
Rz. 21
Das ausgefüllte Empfangsbekenntnis erbringt grundsätzlich den vollen Beweis dafür, dass das Schriftstück an dem vom Empfänger angegebenen Tag tatsächlich zugestellt wurde (§ 53 Abs. 2 Satz 1 SGG, §§ 174 und 418 Abs. 1 ZPO). Die wirksame Zustellung gegen Empfangsbekenntnis setzt nicht nur den Zugang der Sendung beim Empfänger oder dessen Kenntnisnahme voraus, sondern darüber hinaus auch eine Zustellungsabsicht (hierzu Stöber, in: Zöller, ZPO, § 174 Rn. 5) des Absenders und Annahmewillen oder Empfangsbereitschaft des Empfängers. Erforderlich ist die mindestens konkludente Äußerung, die Sendung als zugestellt annehmen zu wollen (vgl. BVerwG, Beschluss v. 29.4.2011, 8 B 86/10, Buchholz 310 § 56 VwGO Nr. 13; Beschluss v. 12.10.1984, 1 B 57.84, Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 10; Beschluss v. 29.4.2011, 8 B 86/10; BFH, Beschluss v. 1.3.2005, X B 158/04; Beschluss v. 14.9.1998, VII B 135/98; Beschluss v. 9.4.1987, V B 111/86;BGH, Urteil v. 22.11.1988, VI ZR 226/87, NJW 1989 S. 1154; OLG Hamm, Urteil v. 12.1.2010, 4 U 193/09, NJW 2010 S. 3380, 3381; Urteil v. 31.5.1979, VII ZR 290/78; Stöber, a. a. O., ZPO, § 174 Rn. 6). Die Äußerung des Willens, das Schriftstück zur Zustellung anzunehmen (Empfangsbereitschaft) ist zwingende Vorau...