2.3.1 Minderjährige (§ 71 Abs. 2)

 

Rz. 7

Ein Beteiligter ist nach § 71 Abs. 1 prozessfähig, wenn er sich durch Verträge verpflichten kann. Minderjährige sind gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 in eigenen Sachen prozessfähig, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind. § 71 Abs. 2 erweitert insofern die Prozessfähigkeit für diejenigen Minderjährigen, denen wie hier nach öffentlichem Recht Handlungsfähigkeit zugebilligt wird. Sie können Sozialleistungen selbst im Prozess verfolgen (Leitherer, SGG, § 71 Rn. 5a).

 

Rz. 8

Minderjährige sind Personen, die das 7., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 106 BGB). Sie sind nach § 71 Abs. 2 insoweit beschränkt prozessfähig, als sie nach den Vorschriften des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind. Nach §§ 112, 113 BGB ist dies der Fall, wenn Gegenstand des Verfahrens Rechtsgeschäfte sind, die der Betrieb eines Erwerbsgeschäfts mit sich bringt, das der Minderjährige im Einverständnis mit seinem gesetzlichen Vertreter selbständig betreibt, sowie die Rechtsgeschäfte, die die Eingehung, Aufhebung und Erfüllung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses betreffen, sofern der Eintritt in das Dienst- oder Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erfolgte.

 

Rz. 9

Die Geschäftsfähigkeit im Bereich des Sozialrechts ist weiter gefasst. Nach § 36 SGB I sind Minderjährige geschäfts- und damit prozessfähig, wenn sie das 15. Lebensjahr vollendet haben. Ab diesem Zeitpunkt können sie selbständig Anträge auf Sozialleistungen stellen und ihre Ansprüche durch die Einlegung von Rechtsbehelfen verfolgen (hierzu BSG, Urteil v. 2.7.2009, B 14 AS 54/08 R, NJW 2010 S. 1306). Zum Schutz des Minderjährigen bestimmt aber § 71 Abs. 2 Satz 2, dass die Rücknahme eines Rechtsbehelfs der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedarf. Das ist auch anzunehmen, wenn im Rahmen eines Vergleichs Rechtspositionen aufgegeben werden (Leitherer, SGG, § 71 Rn. 5a; Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Aufl., 10/2010, § 70 Rn. 2c). Prozessunfähige natürliche Personen werden von ihren gesetzlichen Vertretern vertreten. Das sind bei Minderjährigen regelmäßig die Eltern, möglicherweise auch das Jugendamt. Die gesetzlichen Vertreter müssen ihrerseits prozessfähig sein. Ihr Verschulden wird dem prozessunfähigen Beteiligten zugerechnet (§ 202 SGG i. V. m. § 51 Abs. 2 ZPO).

2.3.2 Personenvereinigungen und Behörden (§ 71 Abs. 3)

 

Rz. 10

Für rechtsfähige und nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie für Behörden handeln nach § 71 Abs. 3 ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände. Wer gesetzlicher Vertreter ist, ergibt sich aus Gesetz, Satzung und Gesellschaftsvertrag. Bei Aktiengesellschaften, Vereinen und Stiftungen ist gesetzlicher Vertreter der Vorstand (§§ 26, 86 BGB, § 78 AktG), bei der GmbH der Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Die Sozialversicherungsträger werden gem. §§ 35, 36 SGB IV von ihren Vorständen oder Geschäftsführern, Behörden durch den Behördenvorstand vertreten. Ein kommunaler Gemeindeverband i. S. v. Art. 78 Landesverfassung NRW ist beteiligtenfähig (§ 70 Nr. 1 2. Alt.), seine Prozessfähigkeit ergibt sich aus § 71 Abs. 3; er wird gem. § 17 Abs. 1 Buchst. d LVerbO NRW durch seinen Direktor gesetzlich vertreten (BSG, Urteil v. 11.12.2008, B 9 VS 1/08 R, SozR 4-1100 Art. 85 Nr. 1).

 

Rz. 11

Die Rechtsfigur des "besonders Beauftragten" ist durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts v. 12.12.2007 (BGBl. I S. 2840) gestrichen worden. Hierzu BT-Drucks. 16/3655 S. 95 (vgl. auch BR-Drucks. 623/06 S. 210):

"Die Streichung der Rechtsfigur des besonders Beauftragten`, die nur im Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren, nicht dagegen in den Verfahrensordnungen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit besteht, dient der Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen und zugleich der Klärung der Voraussetzungen, unter denen eine Prozessvertretung zulässig ist. Ein Bedürfnis dafür, für die Vertretung von juristischen Personen, Vereinigungen und Behörden im Sozialgerichtsprozess neben den Vorschriften über die gesetzliche Vertretung und den in § 73 abschließend geregelten Vorschriften über die Prozessvertretung eine weitere Vertretungsmöglichkeit in Form des "besonders Beauftragten" vorzusehen, besteht nicht. Auch beim Handeln des besonders Beauftragten handelt es sich um einen Fall der gewillkürten Stellvertretung im Prozess, für die § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 eine klare und ausreichende Grundlage darstellt. Zugleich wird geklärt, dass die Vorschriften über den Nachweis der Bevollmächtigung auch für Behördenvertreter gelten."

2.3.3 Entscheidungsgremien (§ 71 Abs. 4)

 

Rz. 12

§ 71 Abs. 4 ist entsprechend der Neufassung von § 70 Nr. 4 SGG durch das 6. SGGÄndG neu formuliert worden. Statt der gesonderten Aufführung von Berufungsausschuss und Schiedsamt wird nunmehr allgemein auf die in § 70 Nr. 4 SGG genannten Gremien Bezug genommen. Sachlich ist die Regelung unverändert. Für die Gremien handelt der Vorsitzende. Wenn ein solcher nicht (oder noch nicht) ...

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