2.8.1 Erteilung

 

Rz. 31

Die Erteilung der Vollmacht ist eine einseitige Prozesshandlung. Für eine wirksame Vollmacht i. S. v. § 73 Abs. 6 ist Voraussetzung, dass sie aus sich heraus erkennen lässt, wer bevollmächtigt ist, wer bevollmächtigt hat und wozu bevollmächtigt wurde (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.7.1999, L 6 SB 512/99). Die Vollmacht muss nach § 73 Abs. 6 Satz 1 schriftlich erteilt und zu den Gerichtsakten gegeben werden (so bereits zur früheren Rechtslage BSG, Entscheidung v. 15.8.1991, 12 RK 39/90, SozR 3-1500 § 73 Nr. 2). Gewohnheitsrechtlich wird die Praxis der öffentlich-rechtlichen Rechtsträger akzeptiert, häufig für sie auftretenden Mitarbeitern General-Terminsvollmachten zu erteilen. Die Vollmacht kann nach § 73 Abs. 6 Satz 2 nachgereicht werden, wofür das Gericht eine Frist bestimmen kann. Für den Nachweis der Prozessvollmacht gelten für Bevollmächtigte eines beklagten Sozialversicherungsträgers keine anderen Grundsätze als für die Prozessvertreter anderer Beteiligter (BSG, Urteil v. 22.9.2009, B 2 U 32/08 R, SozR 4-2700 § 168 Nr. 2).

 

Rz. 32

Schriftlich bedeutet grundsätzlich eigenhändig unterschrieben (§ 126 Abs. 1 BGB). § 126 Abs. 3 BGB i. V. m. § 126a BGB lässt die Ersetzung durch die elektronische Form zu. Eine Erteilung durch Fax ist damit nicht mehr problematisch (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 30.4.2008, L 9 KR 529/07; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 9.11.2006, L 6 SB 1439/06, NZS 2007 S. 446). Es bedarf nicht notwendig der Vorlage der Originalurkunde. Der Nachweis der Vollmachterteilung kann auch in der Verhandlung durch Erklärung zu Protokoll oder sonst zur Niederschrift des Gerichts erbracht werden (vgl. Leitherer, SGG, § 73 Rn. 63). Dies ist zwar in § 73 nicht mehr ausdrücklich geregelt. Eine entsprechende Bestimmung, die noch in § 73 Abs. 2 Satz 1 HS 2 SGG in der bis 30.6.2008 geltenden Fassung enthalten war, hielt der Gesetzgeber jedoch zu Recht für entbehrlich (vgl. BT-Drs. 16/3655 S. 96, BR-Drs. 623/06 S. 198).

 

Rz. 33

Eine schriftliche Vollmacht ist auch für den Rechtsanwalt nötig (BSG, Urteil v. 16.5.2001, B 6 KA 43/99 R, SozR 3-1500 § 73 Nr. 9 ). Das Gesetz geht allerdings davon aus, dass ein Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege nicht ohne Vollmacht tätig wird (Abs. 6 Satz 4 HS 2); insoweit kann eine Vollmacht unterstellt werden. Rügt allerdings einer der Beteiligten einen Vollmachtsmangel, muss das Gericht nach Abs. 6 Satz 4 HS 1 verfahren.

 

Rz. 34

Für jedes Verfahren ist eine gesonderte Vollmacht erforderlich, auch wenn mehrere Verfahren eines Beteiligten bei einem Spruchkörper anhängig sind, nicht aber für jede Instanz. Die Bezugnahme auf eine im Verwaltungsverfahren erteilte Vollmacht reicht aus, wenn sie zweifelsfrei deutlich macht, dass sie auch im anschließenden gerichtlichen Verfahren gelten soll (zutreffend BSG, Urteil v. 16.5.2001, B 6 KA 43/99 R, SozR 3-1500 § 73 Nr. 9; Urteil v. 15.8.1991,12 RK 39/90; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 30.4.2008, L 9 KR 529/07; Urteil v. 10.5.2007, L 4 AL 449/06; vgl. aber SG Braunschweig, Urteil v. 18.6.2008, S 19 AS 1797/07; Leitherer, SGG, § 73 Rn. 64).

2.8.2 Wirkung der Vollmacht

 

Rz. 35

Die Vollmacht ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen(§ 73 Abs. 6 Satz 6 SGG i. V. m. § 81 ZPO). Soweit eine Vollmacht gemäß § 73 Abs. 6 SGG i. V. m. § 83 Abs. 1 ZPO beschränkt werden soll, setzt dies eine nach außen erkennbare Erklärung voraus, die eindeutig und ausdrücklich eine Verzichtsleistung auf den Streitgegenstand i. S. d. § 83 Abs. 1 ZPO enthalten muss, z. B. dass der Bevollmächtigung nicht zur Revisionsrücknahme befugt ist (BSG, Urteil v. 2.9.2009, B 12 P 2/08 R, SozR 4-3300 § 110 Nr. 2). Aus § 73 Abs. 6 Satz 6 SGG i. V. m. § 85 Satz 1 ZPO ergibt sich, dass die vom Prozessbevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen den Beteiligten binden, als hätte er sie selbst vorgenommen. Auch ein Verschulden des Bevollmächtigten wird dem Beteiligten zugerechnet (§ 73 Abs. 6 Satz 6 SGG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO). Durch die Bevollmächtigung begibt sich der Vertretene aber nicht des Rechts, Prozesshandlungen selbst vorzunehmen. Bei widersprechenden Erklärungen geht die des Beteiligten vor.

 

Rz. 36

Gemäß § 73 Abs. 6 Satz 6 SGG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich. Lediglich ein nach Beendigung des Mandatsverhältnisses unterlaufenes Versäumnis eines früheren Prozessbevollmächtigten muss sich ein Beteiligter nicht mehr zurechnen lassen, da dann die innere Rechtfertigung für eine Zurechnung entfallen ist (vgl. BSG, Beschluss v. 17.6.2009, B 6 KA 72/07 B, BeckRS 2009, 67148 Rn. 8). Daher ist der vertretenen Partei ein mit der Mandatsbeendigung zusammentreffendes Anwaltsverschulden noch zuzurechnen. Ein solches liegt auch vor, wenn ein Prozessbevollmächtigter grundlos vor Ablauf der bereits verlängerten Frist zur Begründung eines Rechtsmittels das Mandat niederlegt und deshalb keine rechtzeitige Begründung bei Gericht einreicht (vgl. BSG, Beschluss v. 5.8.2010, B 13 R 117/10 B; Beschluss v. 17.6....

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