Rz. 5
Prozesskostenhilfe wird nach § 114 Satz 1 ZPO für die "Prozessführung" gewährt. Sie kann für jedes gerichtliche Verfahren, einschließlich der Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b und § 199 (BVerfG, Beschluss v. 4.8.2016, 1 BvR 380/16) sowie nach § 178a (BSG, Beschlüsse v. 25.2.2010, B 11 AL 22/09 C und v. 2.3.2016, B 13 SF 7/16 S, LSG Bayern, Beschluss v. 21.7.2014, L 7 AS 500/14 RG; a. A. LSG Sachsen, Beschluss v. 30.4.2013, L 8 AS 702/13 B KO RG), gewährt werden. Für einzelne Prozesshandlungen kann die Prozesskostenhilfe nicht, sondern nur für das Verfahren insgesamt beantragt werden (BVerwG, Beschluss v. 27.7.2012, 2 AV 5/12, 2 AV 5/12, 2 PKH 1/12, 22 AV 37/12). Unter Prozessführung i. S. v. § 114 Satz 1 ZPO ist nur das eigentliche Streitverfahren, nicht aber das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren zu verstehen. Bei diesem Verfahren, in welchem über die Gewährung staatlicher Hilfe für den Antragsteller zu befinden ist, handelt es sich nicht um ein Prozessverfahren, sondern um ein gerichtliches, parteieinseitiges Verwaltungsverfahren im Bereich der Daseinsfürsorge (BGH, Beschlüsse v. 30.5.1984, VIII ZR 298/83, v. 8.6.2004, VI ZB 49/03, und v. 10.10.2012, IV ZB 16/12; LSG Hessen, Beschluss v. 29.6.1998, L 1 B 9/98 KR). Es ist nicht Teil des kontradiktorischen Rechtsstreits, sondern ein eigenes, seinem Wesen nach öffentlich-rechtliches Subventionsverfahren der Daseinsvorsorge, bei dem der bedürftige Beteiligte dem bewilligenden Staat als Antragsteller gegenübertritt, während der Prozessgegner keine Parteirolle einnimmt, sondern lediglich ein Anhörungsrecht hat. Deshalb wird für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren keine Prozesskostenhilfe gewährt (vgl. zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit: BVerfG, Beschluss v. 2.7.2012, 2 BvR 2377/10). Dies gilt auch für das Beschwerdeverfahren (LSG Sachsen, Beschluss v. 4.1.2011, L 3 As 260/09 B PKH; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 11.3.2013, L 11 AS 1495/12 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse v. 17.1.2014, L 1 KR 536/13 B, und v. 4.9.2014, L 7 AS 863/14 B; vgl. auch die Komm. zu § 193 Rz. 4; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 12.1.2012, L 15 AS 305/11). Bedarf der Antragsteller, bevor er einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt, der Beratung über die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, so findet das Beratungshilfegesetz (vgl. Rz. 65) Anwendung, das die Rechtsberatung durch eine Beratungsperson i. S. v. § 3 BerHG oder ein Gericht außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens ermöglicht. Ebenso ist keine Prozesskostenhilfe für Nebenverfahren zu gewähren, sofern dies nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet worden ist (für Verfahren nach § 66 GKG: LSG Bayern, Beschluss v. 9.8.2016, L 15 SF 160/16 E).
Rz. 6
Nach § 73a Abs. 2 ist Gewährung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn ein Beteiligter durch einen Bevollmächtigten i. S. d. § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 (kostenlos) vertreten ist. Es reicht aus, dass sich der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten i. S. d. § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten lassen kann. Eine tatsächliche Vertretung ist für den Ausschluss von der Prozesskostenhilfebewilligung nicht erforderlich (BSG, Beschlüsse v. 8.10.2009, B 8 SO 35/09 B, und v. 12.3.1996, B 13 RJ 83/97 R). Insoweit wird ein Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz gegenüber einem Verband oder einer Gewerkschaft wie die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Rechtsschutzversicherung zum Vermögen eines Beteiligten gerechnet (BSG, Beschlüsse v. 7.1.2016, B 13 R 260/13 B, und v. 12.3.1996, 9 RV 24/94). Der Ausschlussgrund des § 73a Abs. 2 greift nicht ein, wenn für die Nichtinanspruchnahme des durch eine Organisation i. S. v. § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 9 gewährten Rechtsschutzes durch den Antragsteller objektiv berechtigte sachliche oder persönliche Gründe vorliegen (BSG, Beschlüsse v. 7.1.2016, B 13 R 260/13 B m. w. N., und v. 12.3.1996, B 13 RJ 83/97 R; LSG Bayern, Beschluss v. 8.9.2020, L 15 AS 142/20 B PKH; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 8.4.2019, L 4 AS 691/18 B). Lehnt eine Organisation i. S. v. § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 9 die Vertretung ab, kann Prozesskostenhilfe nicht im Hinblick auf eine bestehende Mitgliedschaft versagt werden (BSG, Beschluss v. 8.10.2009, B 8 SO 35/09 B). In Verfahren nach § 197a schließt die Vorschrift des § 73 Abs. 2 bei einer Vertretung durch eine Organisation i. S. v. § 73a Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 die Beiordnung eines Rechtsanwalts, nicht aber die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinsichtlich der anfallenden Gerichtskosten aus.
Rz. 6a
Ob ein satzungsmäßiger Anspruch auf einen Rechtsschutz durch eine Vereinigung i. S. v. § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 oder einen Verband verbunden mit einer Eigenbeteiligung des Mitglieds (vgl. zur Möglichkeit der Erhebung eines Kostenbeitrags durch Satzung: BSG, Urteile v. 29.3.2007, B 9a SB 3/05 R, v. 18.9.2014, B 14 AS 5/14 R, SozR 4-1300 § 63 Nr. 21, und v. 17.3.2015, B 11 AL 8/14 R) die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausschlie...