Rz. 1
Das Vorverfahren wird durch den Widerspruch eingeleitet. Bestimmungen über seinen Mindestinhalt finden sich nicht. Es sind keine strengen Anforderungen zu stellen, insbesondere ist die Bezeichnung als Widerspruch nicht erforderlich. Im Zweifel ist jedes Schriftstück, mit dem sich ein Betroffener gegen eine Verwaltungsentscheidung wendet, als Widerspruch anzusehen. Die ohne vorangegangenes Vorverfahren erhobene Klage ist i. d. R. als Widerspruch anzusehen (sehr restriktiv für den Inhalt eines Eilantrags: BayLSG, Beschluss v. 11.4.2011, L 7 AS 214/11 B ER, juris). Der Widerspruch kann sich auf eine abtrennbare Teilregelung oder eine selbständig anfechtbare Nebenbestimmung beschränken. Im Zweifel ist aber davon auszugehen, dass eine Überprüfung in vollem Umfang begehrt wird (vgl. BSG, SozR Nr. 7 zu § 84 SGG). Der Widerspruch ist ein Rechtsbehelf, kein Rechtsmittel, weil er nicht notwendig Devolutiveffekt hat, d. h. durch ihn keine Überprüfung in einer übergeordneten Instanz eingeleitet wird. Er hat aber Suspensiveffekt, d. h. er hemmt den Eintritt der Unanfechtbarkeit.
Rz. 2
Ausdrücklich genannt als Voraussetzung für die Zulässigkeit des Widerspruchs sind nur die Wahrung von Form und Frist, § 84. Weitere Voraussetzung ist, dass sich der Widerspruch gegen einen bereits ergangenen Verwaltungsakt richtet (BSG, SozR 4-1300 § 63 Nr. 5 Rn. 10). Ein vorsorglich eingelegter Widerspruch wird auch durch den späteren Erlass eines Verwaltungsakts nicht zulässig (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 83 Rn. 3 m. w. N.). Einen "Untätigkeitswiderspruch" gibt es im Verwaltungsverfahren nicht. Der Betroffene hat nur die Möglichkeit, die Erteilung des angestrebten Verwaltungsakts im Wege der Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 zu erzwingen.
Voraussetzung ist weiter, dass der Widerspruchsführer widerspruchsbefugt, d. h. durch den Verwaltungsakt möglicherweise beschwert ist. Er muss geltend machen, dass er in einer geschützten Rechtsposition betroffen wird. Ebenso wie eine Popularklage ist auch ein Popularwiderspruch ausgeschlossen. Der Widerspruchsführer muss ferner beteiligten- und verfahrenshandlungsfähig sein, §§ 10, 11 SGB X. Eine Begründung des Widerspruchs ist zweckmäßig, aber, soweit dies nicht gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist (siehe § 44 ZulassungsVOÄrzte, vgl. dazu BSG, SozR 3-5520 § 44 Nr. 1), ebenso wenig erforderlich wie ein konkreter Antrag.
Rz. 3
Unzulässig ist ein Widerspruch, wenn ein Beteiligter nach Erlass eines Verwaltungsakts schriftlich oder zur Niederschrift auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs verzichtet hat (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 83 Rn. 4). Bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids kann der Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift zurückgenommen werden. Dies schließt allerdings anders als beim Verzicht nicht aus, dass er vor Fristablauf erneut eingelegt wird (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 83 Rn. 5).