1 Formerfordernisse
Rz. 1
Die Vorschrift regelt die einzigen ausdrücklich aufgeführten Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Widerspruch, nämlich Form und Frist. Zur Form schreibt § 84 Abs. 1 vor, dass der Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle eingereicht werden muss, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Nicht ausreichend ist die mündliche oder fernmündliche Einlegung, auch wenn darüber ein Aktenvermerk gefertigt wird (str.; a. A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 84 Rn. 3a; abweichend für bestimmte Konstellationen auch Peters/Sautter/Wolff, § 84 Rn. 3). Schriftlich bedeutet gemäß § 126 Abs. 1 BGB grundsätzlich, dass ein Schriftstück vom Aussteller eigenhändig unterzeichnet wird. § 126 Abs. 3 BGB modifiziert diese Anforderung bereits mit Rücksicht auf die elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten. Unabhängig davon wird man für den Widerspruch bereits deshalb keine eigenhändige Unterschrift fordern können, weil auch § 92 dies für die Klageschrift nicht zwingend vorsieht und an den Widerspruch keine höheren Anforderungen zu stellen sind (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 84 Rn. 3; Zeihe, § 84 Rn. 4a). Es reicht aus, dass erkennbar ist, wer Widerspruchsführer ist. Die Niederschrift ist die schriftliche Fixierung der durch den Betroffenen vor der Behörde abgegebenen Erklärung. Bei der Widerspruchseinlegung durch Niederschrift muss der Widerspruchsführer anwesend sein. Die Behörde ist verpflichtet, den Widerspruch aufzunehmen. Es darf nicht auf die Möglichkeit des schriftlichen Widerspruchs verwiesen werden.
2 Frist
Rz. 2
Die Frist zur Einlegung des Widerspruchs beträgt im Inland einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des Bescheides gegenüber dem Widerspruchsführer. Die Bekanntgabe erfolgt in der gesetzlich vorgesehenen Form. Verwaltungsakte können gemäß § 33 SGB X mündlich, schriftlich, elektronisch oder in anderer Form, etwa durch schlüssiges Verhalten (z. B. Auszahlung von Krankengeld) bekannt gegeben werden, soweit nicht die Schriftform vorgeschrieben ist wie etwa in § 117 SGB VI, § 102 SGB VII. In aller Regel ergehen schriftliche Bescheide. Ist eine förmliche Zustellung vorgeschrieben, kann ein Zustellungsmangel nach § 9 VwZG geheilt werden (vgl. BSG, SozR 1500 § 84 Nr. 6). Für die Fristberechnung gilt § 64. Bei mehreren Betroffenen läuft die Widerspruchsfrist jeweils gesondert von der Bekanntgabe an (BSGE 25 S. 34). Ist eine Bekanntgabe nicht erfolgt, etwa bei einem Verwaltungsakt mit Doppelwirkung, läuft keine Frist, es kommt nur ein Verlust der Widerspruchsbefugnis durch Verwirkung in Betracht (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 84 Rn. 4d; Zeihe, § 84 Rn. 1a). Die Frist läuft nur, wenn eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung erteilt war, § 84 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 66. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft, beträgt die Frist ein Jahr, § 66 Abs. 2. Das gilt auch, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung eine längere als die Monatsfrist nennt (BSG, SozR 3-1500 § 66 Nr. 1).
Rz. 3
Eingefügt durch das 6. SGGÄndG wurde § 84 Abs. 1 Satz 2, wonach die Frist bei Bekanntgabe im Ausland 3 Monate beträgt. Damit erfolgte eine Angleichung an die Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 2. Die Regelung entspricht der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-1500 § 84 Nr. 2), das die Regelung des § 84 Abs. 1 für lückenhaft und ergänzungsbedürftig und § 87 Abs. 1 Satz 2 für entsprechend anwendbar hielt.
Rz. 4
Der Widerspruch muss fristgerecht bei der zuständigen Behörde eingehen, d. h. dergestalt in ihren räumlichen Machtbereich gelangen, dass unter normalen Umständen von ihm Kenntnis genommen werden kann. Ein Schriftstück ist dann wirksam eingegangen, wenn es tatsächlich in die Verfügungsmacht der Behörde gelangt ist (vgl. BVerfGE 57 S. 117, 120). Auf Dienstzeiten oder die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an. Regelmäßig genügt der Einwurf in den Behördenbriefkasten vor Mitternacht des letzten Tages (BVerfGE 42 S. 128, 131). Werden derartige Vorrichtungen für die Entgegennahme von Schriftstücken nicht vorgehalten und kommt es dadurch zu einer Fristversäumnis, kommt eine Wiedereinsetzung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 67 in Betracht. Bei Einlegung durch Telefax muss der Widerspruch innerhalb der Frist vollständig übermittelt und ausgedruckt sein (vgl. BGHZ 101 S. 276, 289; BGH, NJW 1995 S. 665, 667 m. w. N.). Ist das Fax zwar übermittelt, aber aus Gründen, die in der Sphäre der Behörde liegen, nicht ausgedruckt, wird i. d. R. ein Wiedereinsetzungsgrund nach § 67 vorliegen. Einschreibsendungen gehen nicht schon mit der Hinterlegung eines Benachrichtigungszettels zu, sondern erst mit der Möglichkeit, die Sendung beim Postamt abzuholen (vgl. BVerfGE 41 S. 23, 27). Beim Zugang über ein Postfach ist der Widerspruch an dem Tag der Einsortierung zugegangen, auch wenn dies erst am nächsten Tag geleert wird (vgl. BSGE 48 S. 12). Die Übergabe in den Räumen der Behörde führt dann zum Zugang, wenn der Widerspruch einem zur Entgegennahme Befugten ausgehändigt und damit gewährleistet wird, dass er in den ordnungsgemäßen Geschäftsgang der Beh...