Rz. 2
Die Frist zur Einlegung des Widerspruchs beträgt im Inland einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des Bescheides gegenüber dem Widerspruchsführer. Die Bekanntgabe erfolgt in der gesetzlich vorgesehenen Form. Verwaltungsakte können gemäß § 33 SGB X mündlich, schriftlich, elektronisch oder in anderer Form, etwa durch schlüssiges Verhalten (z. B. Auszahlung von Krankengeld) bekannt gegeben werden, soweit nicht die Schriftform vorgeschrieben ist wie etwa in § 117 SGB VI, § 102 SGB VII. In aller Regel ergehen schriftliche Bescheide. Ist eine förmliche Zustellung vorgeschrieben, kann ein Zustellungsmangel nach § 9 VwZG geheilt werden (vgl. BSG, SozR 1500 § 84 Nr. 6). Für die Fristberechnung gilt § 64. Bei mehreren Betroffenen läuft die Widerspruchsfrist jeweils gesondert von der Bekanntgabe an (BSGE 25 S. 34). Ist eine Bekanntgabe nicht erfolgt, etwa bei einem Verwaltungsakt mit Doppelwirkung, läuft keine Frist, es kommt nur ein Verlust der Widerspruchsbefugnis durch Verwirkung in Betracht (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 84 Rn. 4d; Zeihe, § 84 Rn. 1a). Die Frist läuft nur, wenn eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung erteilt war, § 84 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 66. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft, beträgt die Frist ein Jahr, § 66 Abs. 2. Das gilt auch, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung eine längere als die Monatsfrist nennt (BSG, SozR 3-1500 § 66 Nr. 1).
Rz. 3
Eingefügt durch das 6. SGGÄndG wurde § 84 Abs. 1 Satz 2, wonach die Frist bei Bekanntgabe im Ausland 3 Monate beträgt. Damit erfolgte eine Angleichung an die Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 2. Die Regelung entspricht der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-1500 § 84 Nr. 2), das die Regelung des § 84 Abs. 1 für lückenhaft und ergänzungsbedürftig und § 87 Abs. 1 Satz 2 für entsprechend anwendbar hielt.
Rz. 4
Der Widerspruch muss fristgerecht bei der zuständigen Behörde eingehen, d. h. dergestalt in ihren räumlichen Machtbereich gelangen, dass unter normalen Umständen von ihm Kenntnis genommen werden kann. Ein Schriftstück ist dann wirksam eingegangen, wenn es tatsächlich in die Verfügungsmacht der Behörde gelangt ist (vgl. BVerfGE 57 S. 117, 120). Auf Dienstzeiten oder die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an. Regelmäßig genügt der Einwurf in den Behördenbriefkasten vor Mitternacht des letzten Tages (BVerfGE 42 S. 128, 131). Werden derartige Vorrichtungen für die Entgegennahme von Schriftstücken nicht vorgehalten und kommt es dadurch zu einer Fristversäumnis, kommt eine Wiedereinsetzung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 67 in Betracht. Bei Einlegung durch Telefax muss der Widerspruch innerhalb der Frist vollständig übermittelt und ausgedruckt sein (vgl. BGHZ 101 S. 276, 289; BGH, NJW 1995 S. 665, 667 m. w. N.). Ist das Fax zwar übermittelt, aber aus Gründen, die in der Sphäre der Behörde liegen, nicht ausgedruckt, wird i. d. R. ein Wiedereinsetzungsgrund nach § 67 vorliegen. Einschreibsendungen gehen nicht schon mit der Hinterlegung eines Benachrichtigungszettels zu, sondern erst mit der Möglichkeit, die Sendung beim Postamt abzuholen (vgl. BVerfGE 41 S. 23, 27). Beim Zugang über ein Postfach ist der Widerspruch an dem Tag der Einsortierung zugegangen, auch wenn dies erst am nächsten Tag geleert wird (vgl. BSGE 48 S. 12). Die Übergabe in den Räumen der Behörde führt dann zum Zugang, wenn der Widerspruch einem zur Entgegennahme Befugten ausgehändigt und damit gewährleistet wird, dass er in den ordnungsgemäßen Geschäftsgang der Behörde gelangt. Die materielle Beweislast für die Einhaltung der Frist trifft den Widerspruchsführer.
2.1 Besonderheit des § 84 Abs. 2
Rz. 5
Eine verfahrensrechtliche Besonderheit findet sich in § 84 Abs. 2. Die Widerspruchsfrist ist nicht nur gewahrt, wenn der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bei der erlassenden Behörde eingelegt wird, sondern auch bei Einlegung bei den in Abs. 2 Satz 1 genannten Behörden. Hierzu gehören zunächst alle deutschen Behörden im Inland sowie Versicherungsträger. Auch Gerichte unterfallen in diesem Zusammenhang dem Behördenbegriff. Als deutsche Konsularbehörden sind alle amtlichen Vertretungen im Ausland anzusehen, d. h. auch Gesandtschaften, Botschaften, hauptamtliche Handelsvertretungen und sonstige Missionen des Bundes (Zeihe, § 84 Rn. 8). Der Versicherte muss bei einer Bekanntgabe im Ausland in der Rechtsbehelfsbelehrung auch auf die ausländischen Stellen, bei denen der Widerspruch eingelegt werden kann, hingewiesen werden (BSG, SozR 3-1500 § 66 Nr. 7). Soweit ein Verwaltungsakt die Versicherung von Seeleuten betrifft, kann der Widerspruch fristwahrend auch bei einem deutschen Seemannsamt eingelegt werden. Die angegangene Behörde muss den Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruchs festhalten und die Widerspruchsschrift unverzüglich an die zuständige Behörde weiterleiten, § 84 Abs. 2 Satz 2. Geschieht dies nicht, kommt eine Wiedereinsetzung nach § 67 in Betracht.
2.2 Folgen der Fristversäumnis
Rz. 6
Im Fall der Fristversäumnis kann die Behörde den Widerspruch als unzulässig zurückweisen. Der Widerspruch kann unter Umständen...