Rz. 2

Voraussetzung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift, dass in der Zeit von Einlegung des Widerspruchs bis zur Beendigung des Vorverfahrens durch den Erlass eines Widerspruchsbescheides ein neuer Verwaltungsakt gegen denselben Beteiligten ergeht. Erfasst werden darüber hinaus aber auch Bescheide, die zwar nach Erlass des Widerspruchsbescheides, aber vor Erhebung der Klage ergehen (BSG, SozR 3-4100 § 157 Nr. 1; kritisch Zeihe, § 86 Rn. 2a, der in diesen Fällen § 96 für anwendbar hält). Der Folgebescheid muss von derselben Behörde wie der Ausgangsbescheid zur Regelung desselben Rechtsverhältnisses ergangen sein, sich also in seinen Wirkungen mit dem angefochtenen Verwaltungsakt überschneiden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 86 Rn. 3). Der neue Verwaltungsakt muss den angefochtenen Verwaltungsakt ändern oder ersetzen (BSG, SozR 4-1500 § 86 Nr. 2 Rn. 10). Änderung bedeutet, dass der Verwaltungsakt teilweise aufgehoben und durch eine Neuregelung ersetzt wird. Der Verwaltungsakt wird ersetzt, wenn an seine Stelle ein neuer Verwaltungsakt tritt (vgl. BSG, SozR 4-4200 § 20 Nr. 1 Rn. 30 für den Fall der wiederholten Ablehnung). Nicht von § 86 erfasst werden Abhilfebescheide, die die Beschwer des Widerspruchsführers in vollem Umfang beseitigen (vgl. BSG, SozR 1500 § 96 Nr. 12).

 

Rz. 3

Das BSG hat §§ 86, 96 entsprechend angewendet, wenn der neue Verwaltungsakt mit dem Streitstoff in Zusammenhang steht, so dass im Kern über dieselbe Rechtsfrage zu entscheiden ist und der Grundgedanke des § 96 eine Einbeziehung rechtfertigt (vgl. BSG, SozR 3-1500 § 96 Nr. 3; BSGE 47 S. 170). Erfasst werden danach auch Verwaltungsakte, die sich zwar nicht auf den Streitgegenstand im engeren Sinne beziehen, aber im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses ergehen und beispielsweise einen Leistungsanspruch für einen weiteren Zeitraum, der sich an den streitigen anschließt, regeln (BSGE 34 S. 255; BSG, SozR § 96 Nr. 14). Angesichts der Einschränkung, die § 96 durch das SGGArbGGÄndG erfahren hat ("nur dann"), wird auch eine entsprechende Anwendung von § 86 nur noch in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Grundsätzlich nicht gerechtfertigt ist wegen der Besonderheiten der Leistungsgewährung – häufige Änderung der Tat- und Rechtsfragen, Bewilligung für mehrere Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft – die entsprechende Anwendung auf Folgebescheide im Rahmen des SGB II (vgl. BSG, SozR 4-4200 § 20 Nr. 1 Rn. 30 zu § 96). § 86 ist ebenfalls generell nicht entsprechend anzuwenden auf verschiedene Quartale betreffende Honorarbescheide im Vertragsarztrecht (vgl. BSG, SozR 4-1500 § 86 Nr. 2 Rn. 13 m. w. N.).

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