Rz. 9
§ 86a Abs. 1 knüpft die aufschiebende Wirkung als Regelfall des einstweiligen Rechtsschutzes in Anfechtungssachen an die mit dieser Wirkung ausgestatteten Rechtsbehelfe des Widerspruchs und der Anfechtungsklage (Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 86a Rn. 7). Es reicht aus, wenn der Adressat oder Drittbetroffene von einem dieser Rechtsbehelfe Gebrauch macht. Eine Entscheidung der Widerspruchsstelle oder des Gerichts ist nicht erforderlich. Hiervon gibt es Ausnahmen. So kann bei Zweifeln am Eintritt der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs eines Drittbetroffenen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren grundsätzlich die Feststellung, dass dessen Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat, in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 SGG begehrt werden (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 12.7.2011, L 5 KA 19/11 B ER, GesR 2011 S. 684). Bei einer rechtswidrigen Vollziehung kann die (ohnehin gegebene) aufschiebende Wirkung nicht angeordnet, sondern (nur) deklaratorisch festgestellt werden. Das Gericht prüft dann lediglich, ob aufschiebende Wirkung von Gesetzes wegen gegeben ist und stellt dies ggf. fest (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 14.4.2011, L 5 KR 2/11 ER, NZS 2011 S. 840).
Rz. 10
Die aufschiebende Wirkung nach Abs. 1 tritt mit Einlegung des Rechtsbehelfs ex tunc mit Wirkung zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts ein (BVerwG, Urteil v. 6.7.1973, IV C 79.69, DÖV 1973 S. 785, 787; Beschluss v. 21.8.1996, 1 B 159/96, Buchholz 402.240 § 12 AuslG 1990 Nr. 10 S. 45 f; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86a Rn. 9; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl. 2008, V Rn. 50; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 86a Rn. 20; Zeihe, SGG, § 86a Rn. 4d; Clemens, S. 325).
Die Behörde ist grundsätzlich verpflichtet, bereits eingeleitete Vollzugshandlungen rückgängig zu machen sind, wobei sich Einschränkungen aus dem Übermaßverbote ergeben können (Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 53 f.). Insbesondere bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung (z. B. Zulassungsentscheidungen im Vertragsarztrecht, wo das Interesse des Dritten mit zu berücksichtigen ist), kann sich die vorläufige Rückgängigmachung einer Vollziehungsmaßnahme verbieten, die bei einem möglichen Erfolg des Begünstigten in der Hauptsache wiederum vorgenommen würde. Zumindest muss hier für die Behörde die Möglichkeit bestehen, die gemäß Abs. 1 eingetretene Rückwirkung der aufschiebenden Wirkung zu beschränken. Dies kann sie bei einer Anordnung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch die Beschränkung der aufschiebenden Wirkung ex nunc erreichen. Im Zusammenhang mit einem nach Abs. 1 eintretenden Suspensiveffekt müsste dann der Behörde die Möglichkeit eingeräumt werden, die sofortige Vollziehung jedenfalls für Vergangenheit auszusprechen, um damit einer vorläufigen Beseitigung der Vollziehung den Boden zu entziehen (so zutreffend Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 54 f.; str.).
Rz. 11
Die durch die Einlegung des Rechtsbehelfs entstehende aufschiebende Wirkung wirkt zurück auf den Zeitpunkt des Erlasses des Ermächtigungsbescheids (BSG, Urteil v. 28.1.1998, B 6 KA 41/96, SozR 3-1500 § 97 Nr. 3). Hieraus folgt, dass der Vertragsarzt risikobehaftet handelt, wenn er bereits nach Erteilung der Ermächtigung Leistungen erbringt. Sofern nunmehr ein Dritter einen nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelf (vgl. Rz. 24) einlegt, war die Leistungserbringung zurückbezogen unberechtigt und der ermächtigte Arzt kann sie auch im Falle der späteren Zurückweisung des Rechtsbehelfs nicht vergütet erhalten (BSG, a. a. O.). Der ermächtigte Arzt kann dem entgegentreten, indem er nunmehr einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung stellt. Ungeachtet dessen erweist es sich für die Betroffenen zunehmend als problematisch, von der erteilten Zulassung/Ermächtigung/Genehmigung Gebrauch zu machen. Angesichts der Rechtsprechung des BVerfG zur Drittanfechtungsberechtigung (hierzu BVerfG, Beschluss v. 17.8.2004, 1 BvR 378/00, SozR 4-1500 § 54 Nr. 4; vgl. auch BSG, Urteil v. 7.2.2007, B 6 KA 8/06 R, SozR 4-1500 § 54 Nr. 10; Urteil v. 17.10.2007, B 6 KA 42/06 R, SozR 4-2500 § 116 Nr. 4; LSG NRW, Beschluss v. 4.5.2011, L 11 KA 120/10 B ER; Düring, in: Festschrift für Jäger, S. 394) sind vermehrt Drittanfechtungen zu verzeichnen. Da potentiell Drittbetroffene nahezu regelhaft nicht zum Verfahren hinzugezogen werden (§ 12 Abs. 1 Nr. SGB X) und ihnen der positive Bescheid nicht bekanntgegeben wird, können sie noch Monate nach dem Erlass des Ermächtigungsbescheids einen Rechtsbehelf einlegen (§ 66 Abs. 2). Unter teilweiser Abänderung der bisherigen Rechtsprechung vertritt das BSG nunmehr die Auffassung, dass bei statusbegründenden Entscheidungen im Vertragsarztrecht die aufschiebende Wirkung eines von einem Dritten gegen eine begünstigende Entscheidung erhobenen Rechtsbehelfs erst (ex nunc) mit dem Zeitpunkt eintritt, in dem der Begünstigte hiervon Kenntnis erlangt (vgl. BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 6 KA 15/08 R, SozR...