Rz. 10
In den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels umstritten ist oder in denen eine Vollziehung durch die Behörde trotz der aufschiebenden Wirkung zu erwarten ist (sog. faktischer Vollzug), kann das Gericht, bei dem die Klage oder die Berufung anhängig ist, die aufschiebende Wirkung analog § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 deklaratorisch feststellen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 9.2.2010, L 11 KR 6029/09 ER-B; Beschluss v. 31.7.2008, L 20 B 647/08 AS ER; Beschluss v. 18.10.2006, L 7 SO 3313/06 ER-B; LSG Sachsen, Beschluss v. 3.9.2009, L 3 AY 1/09 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 29.1.2009, L 23 B 26/08 AY ER; LSG Hessen, Beschluss v. 26.8.2008, L 9 SO 56/08 B ER; vgl. auch Keller, SGG, § 86b Rn. 15). Voraussetzung für eine Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist, dass diesem gemäß § 86a Abs. 1 eine solche Wirkung zukommt. Ein feststellender Ausspruch ist zwar dem Wortlaut nach in § 86b nicht ausdrücklich vorgesehen. Er ist jedoch als Minus zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 mit umfasst.
Rz. 11
Die Fallgestaltungen des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 sowie des Verfahrens auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 analog sind hinsichtlich des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses nicht vergleichbar. Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs setzt das Vorliegen eines Feststellungsinteresses voraus, das durch eine Nichtbeachtung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs durch den Leistungsträger nach dessen Einlegung begründet wird, während der Leistungsträger bei der Fallgestaltung des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis zur Entscheidung über den Antrag berechtigt ist, einen belastenden Verwaltungsakts zu Lasten eines Antragstellers zu vollziehen. Zudem steht es einem Leistungsträger frei, schon im Rahmen des Verfahrens, das den Erlass eines Verwaltungsaktes i. S. v. § 39 Abs. 1 Nr. 1 SGB II zum Gegenstand hat, von Amts wegen zu prüfen, ob die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGB II bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfristen bzw. des Abschluss des Widerspruchsverfahren ausgesetzt wird (LSG NRW, Beschluss v. 23.11.2009, L 19 B 262/09 AS).
Rz. 12
Eine solche Feststellung setzt ein Rechtsschutzinteresse voraus. Das ist gegeben, wenn die Behörde zu erkennen gibt, dass sie die aufschiebende Wirkung für nicht gegeben erachtet (etwa, weil sie von einem Ausschluss kraft Gesetzes ausgeht) oder wenn sie sich auf eine ausdrückliche Aufforderung, ihre Auffassung zum Bestehen der aufschiebenden Wirkung deutlich zu machen, innerhalb einer angemessenen Frist nicht erklärt (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 9.3.2011, L 2 AS 87/11 ER, L 2 AS 484/10; vgl. auch LSG Thüringen, Beschluss v. 23.4.2002, L 6 RJ 113/02 ER, SGb 2002 S. 449). Das Rechtsschutzbedürfnis mag hingegen zu verneinen sein, wenn der Beteiligte sein Begehren erkennbar auch außergerichtlich durchsetzen kann.
Rz. 13
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid entfällt mit der verbindlichen Erklärung der Behörde, den Verwaltungsakt nicht mehr zu vollziehen bzw. die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs künftig zu beachten (LSG NRW, Beschluss v. 20.9.2011, L 19 AS 1509/11 B ER, L 19 AS 1510/11). Soweit die Auffassung vertreten wird, der Zulässigkeit des Antrags auf (deklaratorische) Feststellung, dass die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hat, stehe nicht entgegen, wenn sich der Antragsteller nicht zuvor mit einem inhaltsgleichen Begehren an die Antragsgegnerin gewandt habe (so LSG NRW, Beschluss v. 22.12.2006, L 19 B 41/06 AL; Beschluss v. 22.6.2005, L 19 B 3/05 AY ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 7.1.2002, L 13 AL 3590/01 ER-B), vermag das nicht zu überzeugen (s. oben Rz 6). Etwas anderes mag nur gelten, wenn die Vollstreckung begonnen hat, ihr Beginn von der Behörde für einen unmittelbar bevorstehenden Termin angekündigt ist oder konkrete Vorbereitungen der Behörde für eine alsbaldige Vollstreckung vorliegen (zu § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO: OVG Saarland, Beschluss v. 22.6.1992, 1 W 29/92, NVwZ 1993 S. 490).
Rz. 14
Die Feststellung der Zulassungsgremien über das Ende der Zulassung eines Vertragsarztes aus Altersgründen wird grundsätzlich weder rechtlich noch faktisch von den Zulassungsgremien oder einer anderen Behörde "vollzogen", weil diese die Feststellung über die Beendigung der Zulassung nicht durch weitere Entscheidungen um- oder durchsetzen, sondern bei ihren Entscheidungen lediglich die sich unmittelbar aus § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V ergebende Rechtslage beachten (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 28.11.2007, L 7 B 153/07 KA ER). Der gegenteiligen Auffassung (LSG Bayern, Beschluss v. 28.3.2007, L 12 B 835/06 KA ER, GesR 2007 S. 410) kann nicht gefolgt werden. Ein Widerspruc...