2.1 Geltungsbereich

 

Rz. 2

Die Vorschrift setzt das Vorliegen eines Verwaltungsakts voraus. Die Klagefrist gilt daher für alle Anfechtungsklagen, in isolierter oder kombinierter Form, sowie für Verpflichtungsklagen im Falle der Ablehnung des Antrags auf Vornahme eines Verwaltungsakts. Sie gilt dagegen nicht für andere Leistungsklagen und auch nicht für Feststellungsklagen, wobei Letzteres für einen Teilbereich in § 89 ausdrücklich geregelt ist. Mit einer Feststellungsklage darf allerdings nicht die Klagefrist umgangen werden. War das Begehren ursprünglich auf einen Verwaltungsakt gerichtet, so dass eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage hätte erhoben werden müssen, so kann eine mögliche Fristversäumnis nicht mit der Feststellungsklage unterlaufen werden. Die Feststellungsklage ist in derartigen Fällen subsidiär (ständige Rspr. des BSG, vgl. nur die Entscheidungen in BSGE 15 S. 282, 286; BSGE 43 S. 148, 150 f.; BSGE 46 S. 81, 84; BSGE 57 S. 184, 186; BSGE 58 S. 150, 152 f.; BSGE 73 S. 146, 147).

Zur Einhaltung der Klagefrist kann zunächst ausschließlich eine Anfechtungsklage erhoben werden und diese später um einen (reinen) Leistungsantrag erweitert werden. Wird der Leistungsantrag erstinstanzlich übergangen, so kann hierüber auch noch im Berufungsverfahren entschieden werden (so das LSG Berlin, Urteil v. 15.4.2003, L 14 AL 60/02, info also 2004 S. 65 f., im Fall einer Anfechtungsklage gegen einen Sperrzeitbescheid verbunden mit einer Zahlungsklage auf Arbeitslosengeld).

 

Rz. 3

Die Klagefrist gilt nicht für die Widerklage nach § 100, da diese auch noch in der Berufungsinstanz erhoben werden kann, § 153 (BSG SozR Nr. 3 zu § 100).

 

Rz. 4

Die Klagefrist muss dagegen im Fall einer Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 beachtet werden (BSG, SozR 1500 § 87 Nr. 6; BSG, Urteil v. 23.6.1998, B 4 RA 31/97 R; LSG BW, Urteil v. 18.10.2007, L 7 SO 4334/06). Die neue Klage muss alle allgemeinen Prozessvoraussetzungen und zusätzlich die besonderen Voraussetzungen der Klageänderung des § 99 erfüllen.

Eine Berichtigung des Rubrums bei einer falschen oder unvollständigen Bezeichnung eines Beteiligten ist jedoch nach Fristablauf noch möglich (BSG, Urteile v. 10.3.2011, B 3 P 1 und 2/10 R, juris). Ebenso wird ein Wechsel des/der Beklagten nach Fristablauf jedenfalls dann noch für zulässig erachtet, wenn der angefochtene bzw. begehrte Verwaltungsakt bereits bei Klageerhebung genau bezeichnet worden ist (BVerwG, SGb 1994 S. 77; VGH BW, DÖV 1982 S. 750; vgl. auch OVG Lüneburg, DÖV 1967 S. 637 und die Kommentierung zu § 99 Rn. 14 ff.).

 

Rz. 5

Eine Besonderheit stellt die Wahlanfechtungsklage nach § 57 Abs. 3 SGB IV (in der Fassung des Gesetzes v. 12.11.2009, BGBl. I S. 3710) dar. Obwohl es sich bei ihr um eine Feststellungsklage handelt, gilt für sie ebenfalls eine Klagefrist. Nach § 57 Abs. 3 Satz 2 SGB IV ist die Klage spätestens einen Monat nach dem Tage der öffentlichen Bekanntgabe des Wahlergebnisses bzw. des Unterbleibens einer Wahlhandlung zu erheben.

Zum Geltungsbereich der Dreimonatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 2 siehe außerdem Rn. 18.

2.2 Fristbeginn

 

Rz. 6

Die Frist nach § 87 Abs. 1 Satz 1 und 2 beginnt mit der Bekanntgabe des angefochtenen Verwaltungsakts. Bekanntgabe bedeutet bewusste und gewollte Übermittlung von Informationen durch die die Angelegenheit bearbeitende Behörde. Darunter fällt folglich nicht eine zufällige Kenntniserlangung des Betroffenen; in derartigen Fällen muss aber eine Verwirkung in Betracht gezogen werden.

Wird Klage erhoben, bevor eine wirksame Bekanntgabe erfolgt ist, so wird die Klage auch nicht mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig; die Klage kann nicht vorsorglich erhoben werden. Ohne wirksame Bekanntgabe existiert kein anfechtbarer Bescheid (siehe hierzu auch die Ausführungen von Peters/Sautter/Wolff, § 87 Anm. 1b, S. II, 3, 4; Zeihe, § 87 Rn. 3b und Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 87 Rn. 4c m. w. N.). Davon unberührt bleibt die Möglichkeit der Erhebung einer Nichtigkeitsfeststellungsklage.

 

Rz. 7

Wie im Einzelfall eine wirksame Bekanntgabe zu erfolgen hat, ist in erster Linie in § 37 SGB X geregelt, darüber hinaus in den je nach Sachgebiet einschlägigen Spezialnormen, den Zustellungsgesetzen (VwZG und Landesgesetze) und in Fällen mit Auslandsberührung in den maßgeblichen zwischenstaatlichen Regelungen einschließlich des EG-Rechts. Diese Regelungen bestimmen, ob die Bekanntgabe z. B. in schriftlicher Form zu erfolgen hat – so § 85 Abs. 3 Satz 1 für den Widerspruchsbescheid – oder ob gar eine förmliche Zustellung zu erfolgen hat. Etwaige Mängel bei der Bekanntgabe können nach § 8 VwZG durch den Nachweis des tatsächlichen Zugangs geheilt werden (vgl. auch § 8 LZG NRW). Ist nicht wirksam bekannt gegeben worden, läuft die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 nicht. Jedoch kommt eine Verwirkung in Betracht.

Im Übrigen schließen die gesetzlichen Regelungen eine Zustellung nicht aus. Es obliegt der Behörde zu überprüfen, ob sie eine Zustellung in geeigneten Fällen, z. B. bei wiederholtem Bestreiten des Zugangs eines Bescheids, nicht auch dann vornehm...

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