Rz. 16

Für die Fristberechnung gelten die allgemeinen Regelungen des § 64. Das Klageverfahren beginnt zwar erst mit der Klageerhebung; erst dann ist die Klage gemäß § 94 anhängig, so dass man sich die Frage stellen könnte, ob die Regelungen des SGG schon einschlägig sind. § 64 sollte aber für sämtliche Verfahrensfristen gelten, wozu auch und gerade die Klagefrist zählt.

Die Frist beginnt daher mit dem Tag nach der (individuellen) Bekanntgabe des Verwaltungsakts bzw. des Widerspruchsbescheids nach § 87 Abs. 1 Satz 1 und 2 bzw. nach Ablauf von 14 Tagen nach der letzten öffentlichen Bekanntmachung nach § 87 Abs. 1 Satz 3 und 4 (siehe Rn. 12).

Ist z. B. ein Verwaltungsakt, für den keine besondere Form vorgeschrieben ist, am 15.6. zur Post gegeben worden, so gilt er gemäß § 37 Abs. 2 HS 1 SGB X als am 18.6. zugegangen. Eine Verlängerung der 3-Tagesfrist ist nicht möglich (BSG, Urteil v. 6.5.2010, SozR 4-1300 § 37 Nr. 1; LSG Bayern, Urteil v. 14.1.2010, L 8 AS 235/09, juris; LSG Saarland, Urteil v. 27.4.2007). An diesem Tag wird der Verwaltungsakt gemäß § 39 SGB X mit seiner Bekanntgabe wirksam. Die Klagefrist läuft dann vom 19.6. bis zum 18.7.

 

Rz. 17

Davon sind allerdings verschiedene Ausnahmen zu machen:

  1. Das Ende der Frist fällt auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, § 64 Abs. 3; die Frist endet dann erst mit dem nachfolgenden Werktag.
  2. Ist nachvollziehbar dargelegt worden, dass der Bescheid tatsächlich später als am 18.6. zugegangen ist, und die Behörde kann einen früheren Zugang nicht nachweisen, (§ 37 Abs. 2 HS 2 SGB X), ist die Frist entsprechend zu verlängern.
  3. Enthielt der Bescheid keine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung (§ 66), dann gilt grundsätzlich die Jahresfrist (siehe hierzu auch LSG NRW, Beschluss v. 7.5.2009, L 7 B 111/09 AS, juris; LSG Saarland, Urteil v. 22.7.1999, L 5b Vg 5/97 zu einem Fall mit unzutreffender Belehrung für eine beteiligte Krankenkasse; BayLSG, Urteil v. 13.10.2004, L 2 U 54/03, über die in die Belehrung aufzunehmenden Stellen i. S. d. § 91 bei Anwendung von Art. 86 Abs. 1 EWGV 1408/71; SG Lüneburg, Gerichtsbescheid v. 2.10.2006, S 15 SB 174/05). Zu der Frage, wann eine ordnungsgemäße Belehrung vorliegt, siehe die Kommentierung zu § 66 Rn. 1 ff.
  4. Hat die Bekanntgabe im Ausland zu erfolgen, dann gilt die 3-Monatsfrist nach Abs. 1 Satz 2, die sich entsprechend den 3 vorgenannten Fallgruppen verändern kann.
  5. Die öffentliche Bekanntmachung in einem Massenwiderspruchsverfahren ist zuletzt in einer überregionalen Tageszeitung am 13.5. erfolgt. Vom 14. bis 27.5. läuft daher die 14-Tagesfrist; die Jahresfrist nach § 87 Abs. 1 Satz 3 für die Klage beginnt am 28.5.

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