2.1.1 Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts

 

Rz. 4

Die Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 ist nur zulässig, wenn der Kläger einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts gestellt hat. Die Untätigkeitsklage muss also auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet sein. Es genügt nicht, wenn ein sonstiges Verwaltungshandeln begehrt wird, wie z. B. in der der Entscheidung des Hessischen LSG zugrunde liegenden Fallgestaltung, bei welcher eine bestimmte Zahlungsweise für Stromkosten streitig war (LSG Hessen, Urteil v. 11.12.2002, L 14 KR 642/01). Die Untätigkeitsklage muss sich auf einen Gegenstand beziehen, der Gegenstand einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sein kann (vgl. hierzu auch LSG NRW, Urteil v. 14.2.2007, L 12 AS 15/05).

Nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, ob die Wartefrist zu beachten ist, wenn die Verwaltung von Amts wegen tätig werden muss, wie dies z. B. in der Unfallversicherung oder nach dem Kenntnisgrundsatz des § 18 Abs. 1 SGB XII bei Sozialhilfeleistungen der Fall ist (siehe hierzu Bley, in: GK, § 88 Anm. 2a). Ganz überwiegend wird dies bejaht, da die Behörden in solchen Fällen nicht besser gestellt werden sollen. Eine andere Frage ist, wann die Wartefrist dann beginnt; denkbar wäre, sie mit Kenntnis der Behörde von ihrer Verpflichtung zum Tätigwerden beginnen zu lassen. Nach überwiegender Auffassung beginnt sie ebenfalls mit der Stellung des Antrags bei der Behörde (so auch LSG NRW, Beschluss v. 2.2.2007, L 20 B 127/06 SO, wonach ein konkretes Leistungsverlangen vorausgesetzt wird; SG Stade, Beschluss v. 23.4.2003, S 7 U 251/01 WA = HVBG-INFO 2003 S. 2508; Bley, in: GK, § 88 Anm. 3a; Leitherer in Meyer-Ladewig, § 88 Rn. 3).

Die Untätigkeitsklage nach Abs. 2 ist zulässig, wenn der Kläger Widerspruch eingelegt hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Widerspruch zulässig ist. Ist der Widerspruch unzulässig, hat die zuständige Widerspruchsstelle ihn als unzulässig zurückzuweisen (BSG, Urteil v. 11.11.2003, B 2 U 36/02 R, SozR 4-1500 § 88 Nr. 1; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 15.12.2010, L 4 U 124/10, Breith 2011, 385).

Für die Tatsache der Einlegung eines Widerspruchs und den Zeitpunkt der Einlegung ist der Kläger beweispflichtig (vgl. LSG NRW, Beschluss v. 26.3.2007, L 20 B 324/06 AS).

2.1.2 Keine sachliche Bescheidung

 

Rz. 5

Weitere Zulässigkeitsvoraussetzung ist, dass die Behörde den Kläger sachlich nicht beschieden hat. Von einer sachlichen Bescheidung kann nur gesprochen werden, wenn die Behörde die Angelegenheit mittels Verwaltungsakt abschließend, d. h. nicht nur vorläufig geregelt hat. Kein Bescheid in diesem Sinne liegt vor,

  • wenn lediglich ein Zwischenbescheid oder eine Auskunft über den Sachstand erteilt wird,
  • wenn nur eine vorläufige Entscheidung getroffen wird (LSG BW, Breithaupt 1990 S. 351 f.),
  • soweit die Behörde nur zum Teil abgeholfen hat (LSG NRW, Beschluss v. 14.7.2010, L 7 AS 51/10 B, juris, Rn. 5).

Es genügt dagegen, wenn die Behörde den Anspruch aus formellen Gründen ablehnt, insbesondere sie den Widerspruch als unzulässig zurückweist. Denn die Untätigkeitsklage ist nur auf die Bescheidung schlechthin gerichtet, nicht auf eine Stattgabe des Antrags (vgl. BSG, Urteil v. 8.12.1993, 14a RKa 1/93, SozR 3-1500 § 88 Nr. 1; LSG NRW, Urteil v. 14.2.2007, L 12 AS 15/05; LSG BW, Beschluss v. 14.9.2005, L 10 LW 4563/04 AK-B; LSG Hamburg, Urteil v. 20.4.2005, L 1 KR 90/03). Die Behörde ist auch dann verpflichtet, über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn sie sich für nicht zuständig hält (BSG, Urteil v. 11.11.2003, B 2 U 36/02 R, SozR 4-1500 § 88 Nr. 1). Es bleibt ihr unbenommen, den Widerspruch mangels Zuständigkeit als unzulässig zurückzuweisen.

 

Rz. 6

Will die Behörde dem Kläger eine Leistung wegen fehlender oder mangelnder Mitwirkung versagen, so muss sie sich die erforderlichen Angaben ggf. auf andere Weise beschaffen und unter Beachtung der einschlägigen Regelungen des § 66 SGB I einen ablehnenden Bescheid erteilen. Sie darf nicht mit der (positiven) Entscheidung abwarten, bis der Kläger die Mitwirkung nachgeholt hat (BSG, Urteil v. 26.8.1994, 13 RJ 17/94, SozR 3-1500 § 88 Nr. 2). Nach Auffassung des 4. Senats des BSG führt die Weigerung, einen Bescheid zu erteilen jedenfalls dann zur unmittelbaren Zulässigkeit einer Anfechtungsklage, wenn bereits eine bindende Verwaltungsentscheidung vorlag und um deren Wirksamkeit gestritten wird (BSG, Urteil v. 15.12.1994, 4 RA 67/93, BSGE 75 S. 262, 267 f.). Das Gleiche gilt nach Ansicht des 4. Senats bei Ablehnung der Erteilung eines zweiten Bescheides mit der Begründung, es liege bereits ein bindender Verwaltungsakt vor (vgl. BSGE 65 S. 84, 86). Der 14. Senat ist dagegen anderer Auffassung. Ihm zufolge kann die Weigerung, eine Entscheidung zu treffen, auch grundsätzlich nicht als Versagungsentscheidung i. S. d. § 66 SGB I ausgelegt werden. Stellt der Kläger einen Anfechtungs- und Leistungsantrag, so ist darin als Minus ein Bescheidungsantrag enthalten, der bei interessegemäßer Auslegung anzunehmen ist (BSG, Urteil v. 10.3.1993, 14b/a REg 1/91, BSGE 72 S. 118 ff.).

2.1.3 Ablauf der Sperrfrist

 

Rz. 7

Die...

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