Rz. 11
Die Klageschrift kann zum Zweck der Fristwahrung bei jeder inländischen Behörde eingereicht werden. Behörden sind alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Der Behördenbegriff des § 91 ist nicht auf solche Stellen begrenzt, die auf dem Gebiet des Sozialrechts tätig werden. Eine Einschränkung des Begriffs lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen (BSG, SozR 3-1500 § 91 Nr. 1). Die Klage kann daher grundsätzlich bei jeder Stelle, die im Geltungsbereich des SGG tätig wird, eingereicht werden.
Rz. 12
Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob jede der angegangenen Stellen auch verpflichtet ist, die Klageschrift entgegenzunehmen und an das zuständige Gericht weiterzuleiten. Weigert sich die Behörde, die Klageschrift entgegenzunehmen, so muss geprüft werden, ob sich die Behörde rechtmäßig verhalten hat. Die Verpflichtung der Behörde, Klageschriften für ein Sozialgericht entgegenzunehmen, lässt sich nach Auffassung des BSG nicht aus der Regelung des § 91 ableiten (SozR 3-1500 § 91 Nr. 1). Diese Bestimmung solle vielmehr nur eine Erleichterungsmöglichkeit zur Fristwahrung für den unkundigen Rechtssuchenden enthalten. Die Verpflichtung der angegangenen Behörde zum Tätigwerden lasse sich i. d. R. nur aus den für sie maßgeblichen besonderen Rechtsvorschriften, also aus dem für sie geltenden materiellen Recht oder sie betreffenden Organisationsnormen, entnehmen. Das BSG hat deshalb die Weigerung einer Polizeibehörde, eine Klageschrift entgegenzunehmen, für rechtmäßig gehalten, da die einschlägigen Regelungen des Polizeirechts keine entsprechende Aufgabenzuweisung enthielten. In Einzelfällen könne eine Behörde auch kraft Sachzusammenhangs verpflichtet sein. Es müsse aber auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 91 nicht jedem, vor allem nicht einem geschäftsmäßig tätigen, beauftragten Rechtsanwalt, ermöglicht werden, Klageschriften bei jeder nicht mit dem Sozialrecht beschäftigten Behörde einzureichen. Der Entscheidung ist zuzustimmen. § 91 Abs. 1 enthält in der Tat ausschließlich eine Regelung über die Wahrung der Klagefrist. Absatz 2 legt eine zusätzliche Verpflichtung nur für die Behörden fest, die zur Entgegennahme verpflichtet sind. Sollte der (unkundige) Rechtssuchende sich über die Zuständigkeit der Behörde geirrt haben und ist es deswegen zu einem Fristversäumnis gekommen, so kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.
Rz. 13
Da § 91 auf "andere inländische Behörden" verweist, kann die Klageschrift außerdem bei allen unzuständigen Gerichten eingereicht werden. Zur Auslegung, was gewollt ist, wenn ein unzuständiges Gericht angegangen wird, siehe unter Rn. 9.
Rz. 14
Darüber hinaus wird vertreten, dass die Klageschrift fristwahrend auch bei Stellen abgegeben werden kann, die der Legislative zuzuordnen sind, so insbesondere beim Bundestag und bei den Landtagen. Da die Regelung den Anwendungsbereich durch die Aufzählung der weiteren Stellen neben den Behörden ohnehin nicht auf den strengen Behördenbegriff z. B. des § 1 Abs. 2 SGB X begrenzt, ist dies zumindest vertretbar. Unklar ist allerdings, welche Stellen im Einzelnen darunter fallen. Der Petitionsausschuss wird als eine der Stellen i. S. d. § 91 angesehen (vgl. Peters/Sautter/Wolff, § 91 Anm. 1, S. II 24; Zeihe, § 91 Rn. 6b; Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 91 Rn. 3 m. w. N.; Berchtold, in: Hennig: § 91 Rn. 8, ordnet den Ausschuss der Verwaltung zu, da er weder Aufgaben der Rechtsprechung noch der Gesetzgebung wahrnimmt). Wie für die Polizeibehörden dürfte es aber auch für diese Stellen an einer Verpflichtung zur Entgegennahme fehlen. Vor allem bei einem Schreiben an den Petitionsausschuss muss außerdem genau gegenüber anderweitigen Rechtsbehelfen abgegrenzt werden.
Rz. 15
Unter den Begriff der inländischen Behörde fallen nur deutsche Behörden im Geltungsbereich des SGG, nicht etwa ausländische, d. h. nichtdeutsche Behörden im Inland, also insbesondere keine Konsularbehörden anderer Staaten.
Dagegen gehören deutsche Konsularbehörden im Ausland durch die ausdrückliche Aufzählung zu den Stellen, bei denen die Klage fristwahrend erhoben werden kann. Hätten sie nicht ausdrücklich Erwähnung gefunden, so fielen sie nicht unter den Begriff der inländischen Behörde. Umstritten ist, ob der Begriff der Konsularbehörde eng oder weit auszulegen ist. Nach enger Auslegung fallen darunter nur die mit der Betreuung deutscher Staatsangehöriger im Ausland beschäftigten Behörden (so Peters/Sautter/Wolff, § 91 Anm. 1, S. II 25), nach a. A. auch Botschaften, Handelsvertretungen und ähnliche Stellen, die eine amtliche Vertretung darstellen (so Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 91 Rn. 3, und Berchtold, in: Hennig, § 91 Rn. 10).
Rz. 16
Bei der Inanspruchnahme einer Postbehörde muss differenziert werden. Wird sie lediglich zur Beförderung eines Schriftstücks in Anspruch genommen, so genügt dies nicht. Es könnte sich aber auch um die Einschaltung der Post als Behörde i. S. d. § 91 handeln. Die Deutsche Post AG oder auch andere Postzustelle...