Rz. 3
Wenngleich die einzelnen Elemente, welche üblicherweise eine Klageschrift ausmachen, gemäß § 92 nicht unabdingbar sind – soweit kein Ausschluss nach Abs. 2 Satz 2 vorliegt –, so muss doch erkennbar sein, dass es sich überhaupt um eine Klage handeln soll. In Zweifelsfällen ist eine Auslegung vorzunehmen. Unter einer Klage wird eine Prozesshandlung verstanden, mit welcher jemand zum Ausdruck bringt, er wolle eine konkrete Angelegenheit gerichtlich überprüfen lassen.
Es muss also das Begehren gerichtlichen Rechtsschutzes erkennbar sein. Es kommt insoweit nicht allein auf die Bezeichnung der Erklärung an. Unschädlich kann daher eine Bezeichnung als Widerspruch oder als Beschwerde sein, wenn sich das Begehren gerichtlichen Rechtsschutzes aus dem sonstigen Inhalt der Erklärung ergibt (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 9.8.2006, B 12 KR 22/05 R, USK 2006 S. 75; BSG, Urteil v. 31.1.1974, 4 RJ 167/73, Breithaupt 1974 S. 811; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 25.11.2009, L 8 B 458/09 R ER, NZS 2010, 120; LSG NRW, Beschluss v. 12.5.2010, L 7 AS 325/10 B, juris, Rn. 7; Beschluss v. 28.2.2008, L 9 AS 7/08 ER, juris, Rn. 11; LSG Bayern, Urteil v. 27.11.2009, L 14 R 978/08, juris). Umgekehrt wird man zumindest im Regelfall von einer Klage ausgehen dürfen, wenn die Erklärung so bezeichnet wird; dies ist jedoch nicht zwingend.
Rz. 4
Zum einen ist eine Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen vorzunehmen, z. B. auch zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Das Vorliegen einer solchen Beschwerde oder einer Gegenvorstellung muss insbesondere dann ausgeschlossen werden, wenn die Erklärung bei der betroffenen Behörde eingereicht worden ist und die Behörde diese Erklärung ohne weiteres an das Gericht abgibt, weil sie sie für eine Klage hielt (vgl. hierzu LSG NRW, Urteil v. 8.5.2001, L 6 SB 119/00). Zum anderen muss geprüft und ggf. auch durch Rückfrage ermittelt werden, ob sich der Rechtssuchende zwar an ein Gericht wenden, aber dennoch keine Klage erheben wollte. Möglicherweise begehrt er lediglich eine Auskunft durch das Gericht oder er kündigte die Erhebung einer Klage zunächst nur an. Läuft zu diesem Zeitpunkt bereits die Klagefrist des § 87, sollte das Gericht ihn hierauf hinweisen.
Rz. 5
Im Übrigen muss sich der Erklärung entnehmen lassen, dass eine konkrete Angelegenheit durch das Gericht überprüft werden soll, also z. B. eine bestimmte Leistung von einem bestimmten Träger begehrt wird oder ein bestimmter Verwaltungsakt für rechtswidrig gehalten wird. Kommt lediglich eine allgemeine Unzufriedenheit mit der Rechtslage zum Ausdruck, so genügt dies nicht.
An Schriftsätze von Rechtskundigen wie Rechtsanwälten, aber auch anderen geschäftsmäßig tätigen Rechtsbeiständen können höhere Maßstäbe angelegt werden als an Schriftsätze von unvertretenen Klägern. Vor allem bei gänzlich Rechtsunerfahrenen kann sich die Notwendigkeit nicht nur von schriftlichen Hinweisen, sondern sogar der Durchführung eines Erörterungstermins ergeben.
Rz. 6
Ob eine Klage vorsorglich erhoben werden kann, etwa um bestimmte Rechte zu wahren, ist streitig (ablehnend Zeihe, § 92 Rn. 3g, m. w. N. unter § 87 Rn. 3b). Ob überhaupt eine vorsorgliche Klage vorliegt, richtet sich nach dem konkreten Begehren. Wird ausdrücklich ein bestimmter Verwaltungsakt angefochten, der noch gar nicht existiert, so ist die Klage zumindest unzulässig. Wird ausschließlich die Aufhebung des Verwaltungsakts begehrt, dürfte es sich um eine vorsorgliche Klage handeln, deren Wirksamkeit in der Tat zweifelhaft ist. Möglicherweise handelt es sich aber auch um eine vorbeugende Unterlassungsklage oder eine Feststellungsklage, der eventuell das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, die also nur unzulässig ist.
Rz. 7
Die Klage kann wie alle anderen Prozesshandlungen nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden. Eine unter einer Bedingung erhobene Klage, z. B. unter der Voraussetzung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, ist unwirksam (s. hierzu § 90 Rz. 5).
Zulässig sind dagegen neben einem bedingungslosen Hauptantrag gestellte Hilfsanträge. Sie unterliegen auch keiner echten Bedingung, sondern nur der "Rechtsbedingung" der Nichtstattgabe des Hauptantrags.