Rz. 7

Widerspruchsbescheid ist der nach § 85 Abs. 2 und 3 von der Widerspruchsstelle erteilte förmliche Bescheid oder die öffentlich bekannt gegebene Allgemeinverfügung nach § 85 Abs. 4. Es kommt nicht darauf an, ob die Widerspruchsstelle zur Entscheidung über den Inhalt funktionell zuständig war (BSG, SGb 1969 S. 497 f.).

Wird ein Vortrag des Beklagten im Rahmen des Klageverfahrens, vor allem die Klageerwiderung, als Widerspruchsbescheid angesehen, was allenfalls bei Identität von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde in Betracht kommt (vgl. hierzu die Kommentierung zu § 78 sowie BSG, Urteil v. 25.4.2007, B 12 AL 2/06 R, Die Beiträge Beilage 2007 S. 240 ff. = SGb 2007 S. 353; BSG, Urteil v. 18.3.1999, B 12 KR 8/98 R, SozR 3-1500 § 78 Nr. 3; BSG, SozR 1500 § 78 Nr. 15), so tritt dieser Vortrag an die Stelle des Widerspruchsbescheids.

 

Rz. 8

Ändert der Widerspruchsbescheid den ursprünglichen Verwaltungsakt tatsächlich ab, so kann das Gericht nicht einfach den Verwaltungsakt in der ursprünglichen Gestalt bestätigen, da dieser nicht mehr existent ist und das Gericht auch nicht befugt ist, das Verwaltungshandeln zu ersetzen. Es kann die beklagte Behörde nur verpflichten, einen entsprechenden Verwaltungsakt zu erlassen (BSGE 8 S. 185, 192; BSGE 9 S. 282, 284; a. A. Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 95 Rn. 3f).

 

Rz. 9

Die Regelung des § 95 wirkt sich auf den für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt aus. So kommt es bei der reinen Anfechtungsklage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also den Zeitpunkt der Erteilung des Widerspruchsbescheids, an (vgl. z. B. LSG Bayern, Urteil v. 19.7.2011, L 8 SO 236/10, juris).

Eine Erweiterung des Streitgegenstands kann nicht dadurch zustande kommen, dass das Gericht entgegen der Rechtsansicht der Widerspruchsbehörde bereits bindend gewordene Bescheide nicht beachtet und deswegen weitere Ermittlungen anstellt. Daraus können sich daher auch keinerlei Auswirkungen auf die Prüfungspflicht der Berufungsinstanz ergeben (LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 7.10.1999, L 5 U 11/99 = HVBG-INFO 2000 S. 222).

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge