Rz. 9
Der neue Verwaltungsakt muss den alten abändern oder ersetzen. Das bedeutet, es muss ein neuer, wirksamer Verwaltungsakt erlassen worden sein, sei es von der beklagten Behörde oder von einem Beigeladenen (BSG, Urteil v. 30.11.1978, 12 RK 33/76, BSGE 47 S. 201, 203).
Eine Abänderung liegt vor, wenn der Verwaltungsakt teilweise aufgehoben und durch eine Neuregelung ersetzt wird. Bei einer Ersetzung wird der alte Verwaltungsakt vollständig ersetzt. Maßgebend ist der jeweilige Verfügungssatz, nicht die Begründung (BSG, Urteil v. 20.7.2005, B 13 RJ 23/04 R = SozR 4-1500 § 96 Nr. 3; BSG, Urteil v. 9.9.1982, 1 RA 74/81, SozR 1500 § 96 Nr. 27). Sowohl eine Abänderung als auch Ersetzung setzen voraus, dass der Regelungsgegenstand des neuen Verwaltungsakts mit dem des früheren identisch hinsichtlich des Verfügungssatzes und des Streitstoffes ist (LSG NRW, Beschluss v. 3.5.2010, L 11 B 23/09 KA ER, juris, Rn. 40). Bei geänderter Tatsachengrundlage kommt danach eine Einbeziehung nicht in Betracht.
Ein Ersetzen liegt auch dann vor, wenn der neue Verwaltungsakt den alten zwar aufhebt, aber inhaltlich die gleiche Entscheidung trifft, insbesondere um eine fehlende Anhörung nachzuholen oder bei einer Ermessensentscheidung die Ermessenserwägungen zu ergänzen (BSG GrS, Beschluss v. 6.10.1994, GS 1/91, BSGE 75 S. 159 = SozR 3-1300 § 41 Nr. 7 = NVwZ 1996 S. 824).
Rz. 10
Abändernde oder ersetzende Verwaltungsakte werden allerdings nur insoweit Streitgegenstand, als sie mit dem Streitstoff zusammenhängen; sie müssen sich auf die materielle Beschwer des Klägers auswirken (BSGE 4 S. 24, 26; BSGE 5 S. 13, 16; BSGE 10 S. 103, 107; BSGE 32 S. 11, 12; BSGE 47 S. 168, 170; BSGE 47 S. 241; BSGE 60 S. 297, 298; BSGE 91 S. 275; BSG, Urteil v. 20.7.2005, B 13 RJ 23/04 R = SozR 4-1500 § 96 Nr. 3; Urteil v. 20.10.2010, B 13 R 82/09 R, SozR 4-6480 Art. 22 Nr. 2 = Breith 2011, 456). Abhilfebescheide, welche die Beschwer vollständig beseitigen, fallen nicht unter § 96 (BSG, SozR 1500 § 96 Nr. 12). Ebenso wenig greift § 96, wenn die Behörde zur Ausführung eines noch nicht rechtskräftigen Urteils einen Bescheid erteilt, denn ein solcher Bescheid trifft nur vorläufige Regelungen (BSG, Beschluss v. 6.1.2003, B 9 V 77/01 B; BSGE 9 S. 169; SozR § 96 Nr. 12 und 18; SozR 3-2500 § 85 Nr. 27). Das gilt auch für sonstige vorläufige Regelungen (vgl. BSG, Urteil v. 24.1.2003, B 12 KR 18/02 R, SozR 4-2500 § 266 Nr. 2 = USK 2004 S. 151).
Hinsichtlich eines nach Klageerhebung erteilten Widerspruchsbescheids sind die Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung uneinheitlich. Dass der Widerspruchsbescheid Gegenstand des Klageverfahrens wird, ergibt sich aber bereits aus § 95 (so auch BSGE 71 S. 42, 45).