2.1 Entscheidung über die Zuständigkeit
Rz. 5
Das Sozialgericht hat von Amts wegen die Zulässigkeit des Sozialrechtswegs sowie seine sachliche und örtliche Zuständigkeit zu prüfen. Liegt bereits eine bindende Entscheidung eines anderen Gerichts vor, so ist diese zu beachten. Das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn der Verweisungsbeschluss des anderen Gerichts rechtswidrig ist. Eine Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses ist nur in extremen Fällen, in denen elementare Verfahrensgrundsätze missachtet oder willkürlich entschieden worden ist, nicht anzunehmen (BSG, Beschlüsse v. 3.12.2010, B 12 SF 7/10 S, v. 10.3.2010, B 12 SF 2/10 S, v. 9.3.2010, B 12 SF 1/10 S, alle veröffentlicht unter juris; BSG, Beschluss v. 3.12.2009, B 12 SF 18/09 S, SozR 4-1500 § 98 Nr. 2; BSG, Beschlüsse v. 16.4.2009, B 12 SF 2/09 S, v. 2.4.2009, B 12 SF 1/09 S, juris; BSG, Beschluss v. 16.11.2006, B 12 SF 4/06 S; BSG, Beschluss v. 1.6.2005, B 13 SF 4/05 S, SozR 4-1500 § 58 Nr. 6 = SGb 2006 S. 116; BSG, Breithaupt 2001 S. 994 ff.; LSG Schleswig-Holstein, ZfS 2001 S. 53 ff.; BSG, SGb 2000 S. 141, 143; LSG Niedersachsen, Breithaupt 1998 S. 958, 959; siehe hierzu auch Rn. 18). Ebenso wie es einen Verweisungsbeschluss eines anderen Gerichts zu beachten hat, muss das Gericht auch eine positive Vorabentscheidung eines anderen Gerichts nach § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 1 GVG berücksichtigen.
2.1.1 Zuständigkeit des Gerichts
Rz. 6
Gelangt das Gericht ansonsten, also bei Nichtvorliegen eines bindenden, aufdrängenden Verweisungsbeschlusses bzw. einer positiven Vorabentscheidung eines anderen Gerichts, zu der Auffassung, seine Zuständigkeit sei gegeben, kann es dies gemäß § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG vorab aussprechen, d. h. in einem Beschluss seine Zuständigkeit feststellen.
Rz. 7
Rügt ein Beteiligter die Zuständigkeit des Gerichts, muss nach § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG ein Beschluss über die Zuständigkeit ergehen. Dabei muss kein förmlicher Antrag auf Entscheidung über die Zuständigkeit des Gerichts gestellt werden. Es genügt vielmehr, wenn ein Beteiligter anregt, den Rechtsstreit zu verweisen (LSG NRW, Urteil v. 27.11.1996, L 11 Ka 127/96). Wird ausdrücklich eine Verweisung des Rechtsstreits beantragt, so stellt dies eine Rüge i. S. d. Vorschrift dar. Entscheidet das Gericht trotz Vorliegens eines Verweisungsantrags oder einer Rüge in sonstiger Form unmittelbar über die Hauptsache und führt nur in den Gründen zu seiner Zuständigkeit aus, so ist das Rechtsmittelgericht an die Entscheidung über die (örtliche) Zuständigkeit nicht gebunden. § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 5 GVG greift in derartigen Fällen nicht ein; er gilt nur bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vorabentscheidungsverfahrens (LSG NRW, Urteil v. 27.11.1996, L 11 Ka 127/96, m. w. N.; siehe hierzu auch Zeihe, § 98 Rn. 11b). Ein Urteil des LSG, welches das erstinstanzliche Urteil aufhebt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, ist aufgrund der Regelung des § 98 Satz 2 nicht anfechtbar.
Rz. 8
Der Beschluss über die Zuständigkeit kann nach § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 1 GVG ohne mündliche Verhandlung ergehen. Findet eine mündliche Verhandlung statt, sind die ehrenamtlichen Richter zu beteiligen, vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2. Den Beteiligten muss auf jeden Fall zunächst rechtliches Gehör gewährt werden. Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG ist ein wesentlicher Verfahrensmangel, der zur Unbeachtlichkeit eines Verweisungsbeschlusses führen kann (BSG, Breithaupt 2001 S. 994, 996). Die Vorabentscheidung ist nach § 98 Satz 2 grundsätzlich nicht anfechtbar. Dennoch ist der Beschluss nach § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG zu begründen. Diese Regelung ist spezieller als § 142 Abs. 2. Der Beschluss ist den Beteiligten zuzustellen. Für Beschlüsse aufgrund mündlicher Verhandlung gilt § 142 Abs. 1 i. V. m. § 135; für Beschlüsse ohne mündliche Verhandlung gilt § 133 Satz 2 (anders Zeihe, § 98 Rn. 8b; vgl. aber dort § 133 Rn. 4).
Der Tenor des Beschlusses könnte lauten:
Das Sozialgericht (...) ist örtlich zuständig.
Rz. 9
Hat sich das Gericht durch bindenden Beschluss für zuständig erklärt, hat es nach § 98 SGG i. V. m. § 17 Abs. 2 GVG über den Streitgegenstand unter allen denkbaren Gesichtspunkten zu entscheiden, mit Ausnahme eines Anspruchs nach Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG, Art. 34 Satz 3 GG. Es muss dann also auch über solche Gesichtspunkte entscheiden, für die es an sich örtlich oder sachlich nicht zuständig ist. Das gilt nicht, wenn mit einer Klage mehrere selbständige Ansprüche geltend gemacht werden, also ein Fall der objektiven Klagehäufung nach § 56 vorliegt. Die Zuständigkeit des Gerichts ist für jeden selbständigen Anspruch getrennt zu prüfen. Ergibt sich die Unzuständigkeit für einen der geltend gemachten Ansprüche, so ist dieser abzutrennen und zu verweisen. Die Klagehäufung nach § 56 setzt gerade die Zuständigkeit des Gerichts für sämtliche Ansprüche voraus. Das Gericht kann aber eine Aufrechnung mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderung selbst da...