1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 98 ist gleichzeitig mit den Regelungen der §§ 17 ff. GVG durch das 4. VwGOÄndG v. 17.12.1990 (BGBl. I S. 2809, 2817) neu gefasst worden. Seitdem sind die Verweisungen wegen Unzuständigkeit in allen Gerichtszweigen gleich geregelt. § 83 VwGO enthält eine fast wortgleiche Regelung; im Übrigen entspricht § 98 SGG dem § 70 FGO, § 48 ArbGG und § 281 ZPO.

Neben der Rechtsvereinheitlichung sollte die Neuregelung prozessökonomischen Zwecken dienen.

§ 98 betrifft nur die Zuständigkeit/Unzuständigkeit innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit (LSG NRW, Urteil v. 20.12.2000, L 10 B 3/00 V). Die Regelung findet daher Anwendung im Zusammenhang mit der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit.

 

Rz. 2

Ob sie auch für die instanzielle oder funktionelle Zuständigkeit gilt, hat das BSG ausdrücklich offen gelassen, insoweit aber auf die zivilgerichtliche Rechtsprechung Bezug genommen (SGb 2000 S. 141, 142 f. = SozR 3-1500 § 98 Nr. 2 = SozR 3-1720 § 17a Nr. 11). Mehrere Landessozialgerichte bejahen eine entsprechende Anwendung der Regelungen (LSG NRW, Beschluss v. 16.3.2010, L 7 AS 191/10 KL, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 15.3.2006, L 1 B 77/06 KR ER). In der Literatur ist dies streitig (ablehnend Zeihe, § 98 Rn. 1f, der eine Abweisung als unzulässig für zwingend hält; bejahend dagegen Peters/Sautter/Wolff, § 98 Rn. 33, unter Bezugnahme auf verwaltungsgerichtliche Rspr.; ebenso Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 98 Rn. 2 und Danckwerts, in: Hennig, § 98 Rn. 1). Nicht einheitlich beurteilt wird auch die Frage, wie bei Einlegung der Berufung bei dem unzuständigen LSG zu verfahren ist. Zum Teil wird vertreten, § 98 sei auch in diesem Zusammenhang anzuwenden (Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 98 Rn. 2; Danckwerts, in: Hennig, § 98 Rn. 1; a. A. Zeihe, § 98 Rn. 2c).

 

Rz. 3

Soweit § 98 einschlägig ist, gilt er nicht nur für das Klageverfahren, sondern auch für alle anderen Verfahren, insbesondere für einstweilige Verfahren (vgl. BSG, Beschluss v. 7.11.2006, B 12 SF 5/06 S, und LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 15.3.2006, L 1 B 77/06 KR ER)..

§ 98 findet dagegen keine Anwendung im Verhältnis zu anderen Gerichtsbarkeiten. Für Verweisungen auf einen anderen Rechtsweg gilt § 202 SGG i. V. m. §§ 17 ff. GVG. Hält sich das Gericht für sachlich unzuständig, verweist es die Streitsache aber an ein Zivilgericht, so handelt es sich dennoch um eine Rechtswegverweisung, für welche § 202 SGG i. V. m. §§ 17 ff. GVG gelten. Die Entscheidung ist daher auch beschwerdefähig (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 21.2.2007, L 23 B 260/06 SO; LSG NRW, Urteil v. 20.12.2000, L 10 B 3/00 V).

 

Rz. 4

§ 98 gilt ferner nicht für die Zuständigkeiten innerhalb des Gerichts; entspricht die Eintragung nicht dem Geschäftsverteilungsplan, erfolgt eine formlose Abgabe. Im Falle eines Streites entscheidet das Präsidium (vgl. auch LSG NRW, Beschluss v. 12.4.2010, L 17 SF 51/10 ZG, juris). Ebenso wenig gilt § 98 bei fristwahrenden Klageerhebungen nach § 91 (zur Abgrenzung siehe die Kommentierung zu § 91).

Die Regelungen des § 98 fanden sich früher zum Teil in § 94 Abs. 2 und 3; der mit Wirkung zum 1.1.1991 gestrichene § 52 regelte zuvor die Entscheidung über den Rechtsweg.

2 Rechtspraxis

2.1 Entscheidung über die Zuständigkeit

 

Rz. 5

Das Sozialgericht hat von Amts wegen die Zulässigkeit des Sozialrechtswegs sowie seine sachliche und örtliche Zuständigkeit zu prüfen. Liegt bereits eine bindende Entscheidung eines anderen Gerichts vor, so ist diese zu beachten. Das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn der Verweisungsbeschluss des anderen Gerichts rechtswidrig ist. Eine Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses ist nur in extremen Fällen, in denen elementare Verfahrensgrundsätze missachtet oder willkürlich entschieden worden ist, nicht anzunehmen (BSG, Beschlüsse v. 3.12.2010, B 12 SF 7/10 S, v. 10.3.2010, B 12 SF 2/10 S, v. 9.3.2010, B 12 SF 1/10 S, alle veröffentlicht unter juris; BSG, Beschluss v. 3.12.2009, B 12 SF 18/09 S, SozR 4-1500 § 98 Nr. 2; BSG, Beschlüsse v. 16.4.2009, B 12 SF 2/09 S, v. 2.4.2009, B 12 SF 1/09 S, juris; BSG, Beschluss v. 16.11.2006, B 12 SF 4/06 S; BSG, Beschluss v. 1.6.2005, B 13 SF 4/05 S, SozR 4-1500 § 58 Nr. 6 = SGb 2006 S. 116; BSG, Breithaupt 2001 S. 994 ff.; LSG Schleswig-Holstein, ZfS 2001 S. 53 ff.; BSG, SGb 2000 S. 141, 143; LSG Niedersachsen, Breithaupt 1998 S. 958, 959; siehe hierzu auch Rn. 18). Ebenso wie es einen Verweisungsbeschluss eines anderen Gerichts zu beachten hat, muss das Gericht auch eine positive Vorabentscheidung eines anderen Gerichts nach § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 1 GVG berücksichtigen.

2.1.1 Zuständigkeit des Gerichts

 

Rz. 6

Gelangt das Gericht ansonsten, also bei Nichtvorliegen eines bindenden, aufdrängenden Verweisungsbeschlusses bzw. einer positiven Vorabentscheidung eines anderen Gerichts, zu der Auffassung, seine Zuständigkeit sei gegeben, kann es dies gemäß § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG vorab aussprechen, d. h. in einem Beschluss seine Zuständigkeit feststellen.

 

Rz. 7

Rügt ein Beteiligter die Zuständigkeit des Gerichts, muss nach § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG ein Beschluss ü...

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