Rz. 6
Gelangt das Gericht ansonsten, also bei Nichtvorliegen eines bindenden, aufdrängenden Verweisungsbeschlusses bzw. einer positiven Vorabentscheidung eines anderen Gerichts, zu der Auffassung, seine Zuständigkeit sei gegeben, kann es dies gemäß § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG vorab aussprechen, d. h. in einem Beschluss seine Zuständigkeit feststellen.
Rz. 7
Rügt ein Beteiligter die Zuständigkeit des Gerichts, muss nach § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG ein Beschluss über die Zuständigkeit ergehen. Dabei muss kein förmlicher Antrag auf Entscheidung über die Zuständigkeit des Gerichts gestellt werden. Es genügt vielmehr, wenn ein Beteiligter anregt, den Rechtsstreit zu verweisen (LSG NRW, Urteil v. 27.11.1996, L 11 Ka 127/96). Wird ausdrücklich eine Verweisung des Rechtsstreits beantragt, so stellt dies eine Rüge i. S. d. Vorschrift dar. Entscheidet das Gericht trotz Vorliegens eines Verweisungsantrags oder einer Rüge in sonstiger Form unmittelbar über die Hauptsache und führt nur in den Gründen zu seiner Zuständigkeit aus, so ist das Rechtsmittelgericht an die Entscheidung über die (örtliche) Zuständigkeit nicht gebunden. § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 5 GVG greift in derartigen Fällen nicht ein; er gilt nur bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vorabentscheidungsverfahrens (LSG NRW, Urteil v. 27.11.1996, L 11 Ka 127/96, m. w. N.; siehe hierzu auch Zeihe, § 98 Rn. 11b). Ein Urteil des LSG, welches das erstinstanzliche Urteil aufhebt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, ist aufgrund der Regelung des § 98 Satz 2 nicht anfechtbar.
Rz. 8
Der Beschluss über die Zuständigkeit kann nach § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 1 GVG ohne mündliche Verhandlung ergehen. Findet eine mündliche Verhandlung statt, sind die ehrenamtlichen Richter zu beteiligen, vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2. Den Beteiligten muss auf jeden Fall zunächst rechtliches Gehör gewährt werden. Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG ist ein wesentlicher Verfahrensmangel, der zur Unbeachtlichkeit eines Verweisungsbeschlusses führen kann (BSG, Breithaupt 2001 S. 994, 996). Die Vorabentscheidung ist nach § 98 Satz 2 grundsätzlich nicht anfechtbar. Dennoch ist der Beschluss nach § 98 SGG i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG zu begründen. Diese Regelung ist spezieller als § 142 Abs. 2. Der Beschluss ist den Beteiligten zuzustellen. Für Beschlüsse aufgrund mündlicher Verhandlung gilt § 142 Abs. 1 i. V. m. § 135; für Beschlüsse ohne mündliche Verhandlung gilt § 133 Satz 2 (anders Zeihe, § 98 Rn. 8b; vgl. aber dort § 133 Rn. 4).
Der Tenor des Beschlusses könnte lauten:
Das Sozialgericht (...) ist örtlich zuständig.
Rz. 9
Hat sich das Gericht durch bindenden Beschluss für zuständig erklärt, hat es nach § 98 SGG i. V. m. § 17 Abs. 2 GVG über den Streitgegenstand unter allen denkbaren Gesichtspunkten zu entscheiden, mit Ausnahme eines Anspruchs nach Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG, Art. 34 Satz 3 GG. Es muss dann also auch über solche Gesichtspunkte entscheiden, für die es an sich örtlich oder sachlich nicht zuständig ist. Das gilt nicht, wenn mit einer Klage mehrere selbständige Ansprüche geltend gemacht werden, also ein Fall der objektiven Klagehäufung nach § 56 vorliegt. Die Zuständigkeit des Gerichts ist für jeden selbständigen Anspruch getrennt zu prüfen. Ergibt sich die Unzuständigkeit für einen der geltend gemachten Ansprüche, so ist dieser abzutrennen und zu verweisen. Die Klagehäufung nach § 56 setzt gerade die Zuständigkeit des Gerichts für sämtliche Ansprüche voraus. Das Gericht kann aber eine Aufrechnung mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderung selbst dann berücksichtigen, wenn es mangels Zuständigkeit nicht über die Gegenforderung entscheiden dürfte (Danckwerts, in: Hennig, § 98 Rn. 9; Keller, in: Meyer-Ladewig, § 51 Rn. 39).
Rz. 10
Die Kostenentscheidung bleibt der endgültigen Entscheidung des Gerichts vorbehalten.
Rz. 11
Das Gericht bleibt auch dann zuständig, wenn sich die seine Zuständigkeit begründenden Verhältnisse nach Klageerhebung geändert haben, § 98 SGG i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG. Das gilt insbesondere bei Umzug des Klägers (BSG, Beschluss v. 8.5.2007, B 12 SF 3/07 S, SozR 4-1500 § 577 Nr. 2 = Breith 2007, 901).
Rz. 12
Halten sich mehrere Gerichte für zuständig und haben sie dies jeweils rechtskräftig festgestellt, so kann gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 3 das gemeinsame nächsthöhere Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit angerufen werden. Im Falle eines solchen positiven Kompetenzkonflikts bestimmt es dann das zuständige Gericht. Den Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts können auch die Beteiligten stellen. Das gemeinsame nächsthöhere Gericht ist das BSG, wenn zwei Sozialgerichte verschiedener Länder und damit zweier LSG-Bezirke über die Zuständigkeit streiten.