Rz. 9
Nach § 99 Abs. 3 sind bestimmte Fallgestaltungen nicht als Klageänderungen i. S. d. Abs. 1 anzusehen, unabhängig davon, ob es sich ausgehend vom Streitgegenstand tatsächlich um Klageänderungen handelt oder nicht. Es handelt sich hierbei um folgende Fallgruppen:
Rz. 10
1 |
Die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen werden ergänzt oder berichtigt. Im Allgemeinen stellt dies ohnehin keine Klageänderung dar; der Regelung kommt insofern nur klarstellende Funktion zu. Beispiele: Der Kläger trägt weitere Erkrankungen vor, die seinen Anspruch auf Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme begründen sollen. Ein Leistungserbringer nach dem SGB V stützt seinen Zahlungsanspruch gegen die Krankenkasse nicht mehr nur auf eine vertragliche Regelung, sondern auch auf einen Bereicherungsanspruch. Der Kläger beziffert nunmehr seine Forderung. |
Rz. 11
2 |
Der Klageantrag wird hinsichtlich Hauptsache oder Nebenforderungen erweitert oder begrenzt. Hierunter fällt der Übergang von einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu einer Leistungsklage ohne Änderung des Klagegrundes (BSG, Urteil v. 15.2.1990, 7 RAr 22/89, NZA 1990 S. 705 f.), ebenso der Übergang von der Verpflichtungs- zur Leistungsklage (LSG Schleswig-Holstein, NZS 2001, 155 ff., E-LSG U-128; BSG, Beschluss v. 4.11.2009, B 8 SO 38/09 B, ZAP-EN-Nr 199/210, zu der Umstellung einer Untätigkeitsklage), von einer Anfechtungs- zur Feststellungsklage (BSG, USK 9541 m. w. N.) sowie von einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zur Feststellungsklage (LSG NW, Urteil v. 27.10.2010, L 11 KA 31/09, anhängig beim BSG, B 6 KA 23/11R; LSG Schleswig-Holstein, Die Beiträge 1999 S. 146 ff.) oder zur Fortsetzungsfeststellungsklage (BSG, Urteil v. 18.5.2011, B 3 KR 7/10 R, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG, Urteil v. 2.9.2009, B 6 KA 44/08 R, SozR 4-2500 § 103 Nr. 6). Weitere Beispiele: Statt der Zahlung von Krankengeld i. H. v. 44,00 EUR täglich wird eine Zahlung i. H. v. 50,00 EUR begehrt. Die Zinszahlung wird nicht erst ab Klageerhebung, sondern bereits ab einem früheren Zeitpunkt geltend gemacht. |
Rz. 12
3 |
Anstelle der ursprünglichen Leistung wird wegen einer Änderung der Verhältnisse eine andere Leistung begehrt. Dabei kann die Veränderung auch bereits vor Klageerhebung eingetreten sein, wenn der Kläger hiervon keine Kenntnis hatte. |
Beispiele: Anstelle einer Sachleistung nach dem SGB V begehrt der Kläger für die zwischenzeitlich selbst beschaffte Leistung Kostenerstattung (BSG, SozR 3-2500 § 33 Nr. 21). Der Kläger stellt den Anfechtungsantrag um auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag. Entsprechendes gilt für den Verpflichtungsantrag (BSG, Urteil v. 28.9.2005, B 6 KA 73/04 R, SozR 4-2500 § 75 Nr. 3 = USK 2005 S. 128).
Rz. 13
Grundsätzlich findet § 99 Abs. 3 auch im Revisionsverfahren Anwendung, denn § 168 Satz 1 bestimmt nur, dass Klageänderungen im Revisionsverfahren nicht mehr zulässig sind. In den Fällen des § 99 Abs. 3 liegt aber gerade keine Klageänderung vor, entweder bereits weil sich der Streitgegenstand nicht geändert hat oder weil dies der Gesetzgeber, vornehmlich aus prozessökonomischen Gründen, fingiert hat (vgl. BSG, Urteil v. 15.2.1990, 7 RAr 22/89, NZA 1990 S. 705 f.). Das gilt aber nicht, wenn das Revisionsgericht durch die Anwendung des § 99 Abs. 3 über einen neuen Sachverhalt zu entscheiden hätte oder wenn gerade die Sachverhaltsfeststellungen des LSG angegriffen werden (BSG, Urteil v. 12.5.1999, B 7 AL 74/98 R, SozR 3-1300 § 104 Nr. 15; BSGE 18 S. 12, 14 f.). Zulässig ist aber der Übergang zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage (BSG, Urteil v. 18.5.2011, B 3 KR 7/10 R, SGb 2011, 387 f.; BSG, SozR 3-2500 § 116 Nr. 10; BSG, Urteil v. 28.9.2005, B 6 KA 73/04 R, SozR 4-2500 § 75 Nr. 3 = USK 2005 S. 128).