Rz. 14

Beteiligte am Verfahren sind nach § 69 Kläger, Beklagter und Beigeladener. Sämtliche Beteiligten können während eines Verfahrens wechseln. Nicht jeder Wechsel stellt eine Klageänderung i. S. d. § 99 dar. Ein Beteiligtenwechsel kann kraft Gesetzes oder aufgrund einer Prozesshandlung zustande kommen. Die Beiladung nach § 75 stellt daneben eine Besonderheit dar, da sie auf einem Beschluss des Gerichts beruht.

Von einem Beteiligtenwechsel wird nur bei Austausch oder Hinzutritt eines Klägers oder Beklagten gesprochen, nicht dagegen bei der Änderung einer Beiladung. Der kraft Gesetzes eingetretene Beteiligtenwechsel stellt keine Klageänderung i. S. d. § 99 dar (BSG, Urteil v. 18.1.2011, B 4 AS 99/10 R m. w. N.; SozR 4-4200 § 37 Nr. 5 = NJW 2011, 2538; hierzu auch Rn. 17). Nach h. M. ist dagegen der gewillkürte Beteiligtenwechsel eine Klageänderung nach § 99 (BSGE 48 S. 159, 162; LSG BW, Urteil v. 25.1.2007, L 10 R 739/04, NZS 2007 S. 542 = ASR 2007 S. 174; a. A. Zeihe, § 99 Rn. 1c: Rechtsinstitut eigener Art). So hat das BSG z. B. den Eintritt einer Klägerin anstelle ihres ursprünglich klagenden Ehemannes als Klageänderung eingestuft (BSG, Urteil v. 29.6.1993, 12 RK 13/93, USK 93109), ebenso den Eintritt eines neuen Arbeitgebers in den Rechtsstreit wegen eines Erstattungsbescheids nach dem AFG (BSG, Urteil v. 8.11.2001, B 11 AL 45/01 R, SozR 3-4100 § 128 Nr. 14 = Breithaupt 2002 S. 270).

 

Rz. 15

Ein Beteiligtenwechsel ist auch in der Berufungsinstanz noch zulässig (BSGE 8 S. 113, 115; BSGE 10 S. 218). Einer Zustimmung des Beklagten bedarf es hierzu anders als im Zivilprozess nicht (vgl. BSGE 8, 113; 10, 97, 102; kritisch Zeihe, § 99 Rn. 1c). Allerdings dürfen damit nicht die allgemeinen und von Amts wegen zu prüfenden Sachentscheidungsvoraussetzungen umgangen werden (BSG, Urteil v. 31.7.2002, B 4 RA 20/01 R, SozR 3-1500 § 29 Nr. 1).

 

Rz. 16

Von einem Beteiligtenwechsel abzugrenzen ist die bloße Berichtigung des Rubrums. Die Bezeichnung der Beteiligten ist auslegungsfähig (vgl. zu einer Auslegung, ob Vertreterschaft oder gewillkürte Prozessstandschaft vorliegt LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 29.6.1995, L 4 V 55/93; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 9.5.2006, L 10 AS 88/06, zur Vertretung der Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II). Die richtige Bezeichnung des Beklagten kann sich möglicherweise erst aufgrund eines Hinweises des Vorsitzenden oder einer Stellungnahme des Beklagten ergeben. Dann kann das Rubrum ohne weiteres angepasst werden (BSG, Urteil v. 27.2.1981, 8/8a RU 108/79, BSGE 51 S. 213, 214).

 

Rz. 17

Um einen Beteiligtenwechsel handelt es sich ebenso wenig, wenn eine Änderung kraft Gesetzes eintritt, z. B. bei einer Änderung der Rechtspersönlichkeit des Beklagten im Wege einer Funktionsnachfolge (BSG, Urteile v. 18.1.2011, B 4 AS 99/10 R, NJW 2011, 2538, B 4 AS 90/10 R, NDV-RD 2011, 75, und B 4 AS 14/10 R, BSGE 107, 206; BSGE 7 S. 60; BSGE 17 S. 15; SozR 1200 § 48 Nr. 14; LSG Sachsen, Urteil v. 11.8.1998, L 2 KN 42/97 U), im Erbfalle (vgl. BSGE 8 S. 113) oder bei Fortführung eines Verfahrens durch einen zwischenzeitlich volljährig gewordenen Kläger.

 

Rz. 18

Bei einem sonstigen Zuständigkeitswechsel, insbesondere wegen eines Umzugs des Klägers, liegt kein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes vor (BSG, SozR 3-3900 § 4 Nr. 1 und 2). Nach neueren Entscheidungen des BSG liegt zwar ein Beteiligtenwechsel vor, der aber keine Klageänderung i. S. d. § 99 darstellt (BSG, Urteil v. 5.7.2007, B 9/9a SB 2/07 R; BSG, Beschluss v. 16.11.2006, B 12 SF 4/06 S). Zu prüfen ist zunächst, ob sich überhaupt Auswirkungen auf die Zuständigkeit ergeben; ggf. muss nach dem Klageantrag differenziert werden. Bei einem Verpflichtungs- oder Leistungsantrag ist im Regelfall auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen. Da die Klage gegen den ursprünglichen Beklagten keine Aussicht auf Erfolg mehr haben dürfte, muss entweder die Klage umgestellt oder neu Klage erhoben werden (vgl. hierzu den Fall des LSG BW, Urteil v. 25.1.2007, L 10 R 739/04, NZS 2007 S. 542, zu einer Zuständigkeitsänderung im Bereich RV). Weiterhin kommt auch eine Beiladung in Betracht. Anders ist es aber bei einer Anfechtungssituation, bei welcher maßgeblich auf den Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids abzustellen ist.

Ist das SG irrtümlicherweise von einem Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes ausgegangen, ist das dem Scheinbeteiligten gegenüber ergangene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen (BSG, SozR 3-3900 § 4 Nr. 2).

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