Rz. 19

Eine Klageänderung ist nach § 99 Abs. 1 nur zulässig, wenn entweder die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

2.4.1 Einwilligung

 

Rz. 20

Die Einwilligung kann ausdrücklich erteilt werden oder durch konkludentes Handeln erfolgen. Nach § 99 Abs. 2 ist die Einwilligung anzunehmen, wenn sich die übrigen Beteiligten in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben, ohne der Änderung zu widersprechen. Auch in dem rügelosen Einlassen auf einen neuen Streitgegenstand durch die Einbeziehung von weiteren Bescheiden, die nicht von § 96 erfasst werden, ist eine Einwilligung i. S. d. § 99 Abs. 2 zu sehen (BSG, Urteil v. 25.6.2008, B 11b AS 35/06 R, SGb 2008, 474; BSG, Urteil v. 7.2.1996, 6 RKa 42/95, SozR 3-2500 § 85 Nr. 12; dann muss allerdings das Vorverfahren nachgeholt werden; vgl. dazu allerdings den Fall in dem Urteil des BSG v. 3.3.2009, B 4 AS 377/98 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 15, in dem ein Vorverfahren ausnahmsweise für entbehrlich gehalten wurde). Die Einwilligung darf aber nicht bei einem bloßen Schweigen unterstellt werden, z. B. wenn die übrigen Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht erscheinen (BSG, SozR 3-2500 § 87 Nr. 12). Ein rügeloses Einlassen kann auch nicht angenommen werden, wenn die übrigen Beteiligten irrtümlich von einer Einbeziehung nach § 96 ausgegangen sind und nur deswegen nicht widersprochen haben (LSG Bayern, Urteil v. 24.2.2011, L 15 SB 43/06, juris).

Die Einwilligung muss von allen übrigen Beteiligten erfolgen, also z. B. auch seitens eines einfach Beigeladenen nach § 75 Abs. 1 (BSG, SozR 3-2500 § 87 Nr. 12).

Die Einwilligung ist eine Prozesshandlung und damit grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar.

2.4.2 Sachdienlichkeit

 

Rz. 21

Liegt keine Einwilligung der übrigen Beteiligten vor, ist die Klageänderung gleichwohl zulässig, wenn das Gericht sie für sachdienlich hält. Die Sachdienlichkeit ist unter Berücksichtigung des Zwecks der Prozessökonomie zu beurteilen. Sie wird daher angenommen, wenn die Klageänderung zu einer umfassenden Streitbeilegung zwischen den Beteiligten führt und so einem neuen Prozess vorbeugt. Dabei kommt es weder darauf an, ob die geänderte Klage Aussicht auf Erfolg hat noch ob durch die Änderung eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig wird. Unerheblich ist, ob ein Prozess zwischen Dritten, die nicht am Prozess beteiligt sind, verhindert werden kann (LSG BW, Urteil v. 8.6.2004, L 11 KR 2274/03).

Ein sachlicher Zusammenhang mit dem bisherigen Streitstoff ist aber Voraussetzung. Sind die bisher gewonnen Ergebnisse für die geänderte Klage unerheblich und ist die bisherige Klage entscheidungsreif, so kann nicht von einer Sachdienlichkeit gesprochen werden (vgl. LSG Berlin, Urteil v. 18.4.2000, L 2 U 89/99, HVBG-INFO 2001 S. 2404 ff. zur Einbeziehung weiterer Berufskrankheiten und damit verbundene neue Ermittlungen). Ebenso ist die Sachdienlichkeit zu verneinen, wenn die Prozessvoraussetzungen für die geänderte Klage nicht vorliegen (BSG, SozSich 1993 S. 378; BSG, Urteil v. 23.3.1993, 4 RA 39/91; LSG BW, Breithaupt 1997 S. 742 ff.).

 

Rz. 22

Ob die Sachdienlichkeit zu bejahen ist, steht im Ermessen des Gerichts. Die Rechtsmittelinstanzen können die Entscheidung des Gerichts insoweit nur daraufhin überprüfen, ob es den Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit verkannt und daher die Grenzen des Ermessens überschritten hat (BSG, Urteil v. 2.9.2009, B 6 KA 44/08 R, SozR 4-2500 § 103 Nr. 6, juris Nr. 16; BSG, Beschluss v. 28.2.2000, B 11 AL 247/99 B, SozSich 2001 S. 144; BSG, Beschluss v. 7.9.1999, B 2 U 190/99 B; BSG, Beschluss v. 17.5.1990, 11 BAr 143/88). Dabei ist nicht auf die objektive Sachdienlichkeit, sondern die subjektive Meinung des Gerichts abzustellen (BSG, Beschluss v. 7.9.1999, B 2 U 190/99).

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