2.1 Statthaftigkeit und Zulässigkeit
Rz. 3
Für jedes Rechtsmittel ist zwischen Zulässigkeit und Statthaftigkeit zu unterscheiden. Statthaft ist ein Rechtsmittel, wenn die angefochtene Entscheidung das eingelegte Rechtsmittel vorsieht, es mithin gegen Entscheidungen einer bestimmten Art überhaupt vorgesehen ist (Zeihe, SGG, vor § 143 Rn. 3a). So ist die Beschwerde gegen einen Beschluss des SG grundsätzlich statthaft (§ 172 Abs. 1 SGG). Nicht statthaft sind hingegen Beschwerden gegen prozessleitende Verfügungen, Vertagungsbeschlüsse, Beweisbeschlüsse usw. (hierzu § 172 Abs. 2 SGG), Beschlüsse nach § 172 Abs. 3 SGG sowie Beschlüsse des LSG vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 SGG sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG (§ 177 SGG). Nicht statthaft ist ferner die Beschwerde gegen eine Kostengrundentscheidung des SG in Fällen des § 197a SGG i. V. m. § 158 Abs. 2 VwGO (LSG NRW, Beschluss v. 9.4.2003, L 10 B 6/03 KA), wenn in der Hauptsache keine Entscheidung ergangen ist (zu den Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu § 172). Im Einklang hiermit ist eine Beschwerde gegen Kostengrundentscheidungen des SG nach § 193 SGG nicht statthaft. Demgegenüber ist die Berufung gegen Urteile der Sozialgerichte statthaft, soweit das SGG nichts anderes bestimmt (§ 143). Das Rechtsmittel kann nicht vorsorglich gegen eine noch nicht ergangene Entscheidung eingelegt werden (vgl. LSG NRW, Beschluss v. 30.3.2001, L 10 B 1/01 SB; OLG Koblenz, Beschluss v. 11.12.1985, 14 W 727/85, NJW-RR 1986 S. 935; Bernsdorff, in: Hennig, SGG, 9/1996, § 151 Rn. 26).
Rz. 4
Zulässig ist das Rechtsmittel, wenn es statthaft ist und die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, d. h. Form und Frist gewahrt sind, der Rechtsmittelführer beschwert ist und auf das Rechtsmittel nicht verzichtet hat, es nicht verwirkt ist und die Prozesshandlungsvoraussetzungen (Beteiligtenfähigkeit, Prozessfähigkeit, Postulationsfähigkeit) gegeben sind. Das Rechtsmittel muss in der vorgeschriebenen Form eingelegt werden (§§ 151, 164, 173 SGG). Maßgebend ist der Zeitpunkt der Einlegung (Rohwer-Kahlmann, SGG, XI/2005, vor § 143 Rn. 9). Die Frist zur Einlegung (§ 151, § 160a Abs. 1 Satz 2, § 161 Abs. 1 Satz 2, § 164 Abs. 1, § 173 SGG) und zur Begründung (§ 160a Abs. 2 Satz 1, § 164 Abs. 2 Satz 1 SGG) muss gewahrt sein.
2.2 Rechtsschutzbedürfnis und Beschwer
Rz. 5
Jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. LSG NRW, Beschluss v. 16.3.2011, L 11 KA 96/10 B ER, MedR 2011 S. 428). In den Rechtsmittelinstanzen ist das Rechtsschutzbedürfnis identisch mit der Beschwer (LSG NRW, Urteil v. 6.5.1999, L 3 B 2/99 RJ; Keller, SGG, vor § 51 Rn. 16b; vgl. auch Wenzel, NJW 2002 S. 3353, 3357). Eine pekuniäre oder ideelle Beschwer genügt nicht; notwendig ist eine rechtliche Beschwerde, die für den Beigeladenen ebenso wie für die Hauptbeteiligten Voraussetzung für die selbständige Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes und die Rechtsmitteleinlegung ist (vgl. BSG, Urteil v. 15.11.1983, 1 S 10/82, BSGE 56 S. 45, 47 = SozR 2100 § 70 Nr. 1; BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 78/90, SozR 3-1500 § 54 Nr. 9; vgl. BSG, Urteil v. 22.6.1988, 9/9a RV 41/86, SozR 1300 § 48 Nr. 49; BSG, Urteil v. 14.12.1988, 9 BV 32/88; BSG, Urteil v. 12.2.1997, 9 RVs 1/95 9, SozR 3-3870 § 4 Nr. 18; BSG, Urteil v. 3.8.1999, B 4 RA 34/99 R; BSG, Urteil v. 9.6.1999, B 6 KA 76/97 R, SozR 3-5520 § 44 Nr. 1; BSG, Urteil v. 29.9.1999, B 6 KA 45/98 R, USK 99157; LSG NRW, Urteil v. 21.10.1998, L 11 KA 74/98, MedR 1999 S. 237). Die rechtliche Beschwer entspricht dem Unterschied zwischen dem Antrag des Klägers vor dem SG und dem, was ihm das SG zugesprochen hat, im Ergebnis mithin dem, was der Kläger beantragt und das SG versagt hat (BGH, Urteil v. 2.10.2001, VI ZR 356/00, NJW 2002 S. 212, 213; BGH, Urteil v. 2.3.1994, XII ZR 207/92, NJW 1994 S. 2697; BGH, Urteil v. 9.10.1990, VI ZR 89/90, NJW 1991 S. 703; LSG NRW, Urteil v. 15.8.2000, L 16 P 49/99; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 143 Rn. 77; Rohwer-Kahlmann, SGG, VII/1998, vor § 143 Rn. 10).
Rz. 6
Für das Rechtsmittel des Klägers kommt es auf die formelle Beschwerde an (BSG, Urteil v. 15.6.2010, B 2 U 22/09 R, UV-Recht Aktuell 2010 S. 1161; Urteil v. 2.12.2008, B 2 KN 2/07 U R, UV-Recht Aktuell 2009 S. 526; Urteil v. 17.10.2007, B 6 KA 42/06 R, BSGE 99 S. 145; vgl. auch BGH, Urteil v. 27.10.2011, III ZR 235/10); diese liegt grundsätzlich vor, wenn der Tenor der vorinstanzlichen Entscheidung hinter dem Antrag zurückbleibt (BSG, Urteil v. 29.9.1999, B 6 KA 45/98 R, USK 99157; BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 78/90, SozR 3-1500 § 54 Nr. 9). Das gilt auch, wenn der Hauptantrag abgelehnt oder nach dem weniger weiten Hilfsantrag erkannt wird. Der Kläger ist auch beschwert, wenn bei unbeziffertem Klageantrag der zuerkannte Betrag wesentlich hinter den Vorstellungen zurückbleibt, die er dem Gericht gegenüber geäußert hat (BGH, Urteil v. 31.1.1969, VI ZR 197/67, NJW 1969 S. 1427). Wird dem Klageantrag mit einer anderen rechtlichen Begründung stattgegeben, als von der klagenden Partei gewünscht, ist diese nicht beschwert (BGH, Urteil v. 2.10.2001, VI ZR 356/00,...