2.1 Maßgeblichkeit des erstgenannten Geburtsdatums (Abs. 1)
Rz. 4
Eine Vielzahl von Ansprüchen und gesetzlichen Regelungen stellen auf das Alter oder auf Altersgrenzen ab, die durch den tatsächlichen Tag der Geburt als objektives Ereignis bestimmt werden. Dies liegt bei Altersrenten auf der Hand, gilt aber z. B. für die Familienversicherung von Kindern in der Kranken- und Pflegeversicherung (§ 10 Abs. 2 SGB V, § 25 Abs. 2 SGB XI), die Dauer der Versicherungspflicht als Student (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V), die Arbeitslosenversicherungsfreiheit (§ 28 Nr. 1 SGB III) oder den Wegfall von Arbeitslosengeld (§ 136 Abs. 2 SGB III) beim Erreichen der dort genannten Altersgrenzen für die Regelaltersrente. Darüber hinaus dient das Geburtsdatum zur Identifikation einer Person und findet dadurch Eingang in Register, Urkunden und Kennzeichen (Abs. 3). Dieses dokumentierte Geburtsdatum kann fehlerhaft sein, weil es nicht das Datum der tatsächlichen Geburt ("wirkliches Geburtsdatum") wiedergibt. Die Gesetzesbegründung, wonach "ausländische Rechtsordnungen die Möglichkeit vorsehen, das Geburtsdatum zu ändern" (BT-Drs. 13/8994 S. 67), ist daher insoweit ungenau, als nicht das "wirkliche" Geburtsdatum änderbar ist, sondern allenfalls ein dokumentiertes Geburtsdatum berichtigt oder geändert werden kann.
Rz. 5
Die Vorschrift macht das zuerst angegebene und damit dokumentierte Geburtsdatum, unabhängig von dessen Richtigkeit, zum maßgeblichen Datum für alle altersabhängigen Rechte oder Pflichten. Ob über das Geburtsdatum hinaus falsche Angaben zur Identität gemacht werden, ist für die Anwendung der Vorschrift ohne Bedeutung (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 7.3.2012, L 4 R 487/11). Die Vorschrift knüpft damit weitgehende materiell-rechtliche Wirkung an das erstmals für das SGB dokumentierte Geburtsdatum; auf die objektive Richtigkeit kommt es dabei nicht an. Die Regelung findet, mangels einer abweichenden Übergangsregelung, auch Anwendung, wenn die erstmalige Angabe eines Geburtsdatums vor dem 1.1.1998 erfolgt war (BSG, Urteil v. 19.5.2004, B 13 RJ 26/03 R).
Rz. 6
Das Geburtsdatum muss allerdings gegenüber einem Sozialleistungsträger (§§ 12, 18 bis 29) angegeben worden sein. Der Sozialleistungsträger, dem gegenüber die erstmalige Altersangabe erklärt wurde, muss dabei nicht der Leistungsträger sein, dem gegenüber später altersabhängige Rechte oder von dem altersabhängige Pflichten geltend gemacht werden. Ob aufgrund der ersten Angabe des Geburtsdatums bereits Leistungen erbracht wurden, ist unerheblich (so auch Weselski/Öndül, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 33a Rz. 19, Stand: 15.3.2018; Just, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 33a Rz. 9, Stand: November 2021). Die anderen Sozialleistungsträger sind jedoch wegen der materiell-rechtlichen Wirkung an diese Angaben für ihren Aufgabenbereich gebunden (so auch Weselski/Öndül, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 33a Rz. 18, Stand: 15.3.2018; Mrozynski, SGB I, 7. Aufl., § 33a Rz. 5). Angaben gegenüber dem Finanzamt für steuerrechtliches Kindergeld (§§ 62 ff. EStG) entfalten keine Bindungswirkung für die Sozialleistungsträger, da die Finanzverwaltung kein Sozialleistungsträger ist. Auch bei der Altersangabe eines Asylbewerbers gegenüber einer Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber handelt es sich nicht um eine Altersangabe gegenüber einem Sozialleistungsträger (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 19.10.2011, OVG 6 S 51.11/OVG 6 M 63.11).
Rz. 6a
Auch die Angabe eines Geburtsdatums gegenüber dem Arbeitgeber im Zusammenhang mit den notwendigen Meldungen nach dem Dritten oder Sechsten Abschnitt des SGB IV hat die nach Abs. 1 verbindliche Wirkung; allerdings nur die Angabe gegenüber dem ersten Arbeitgeber, weil spätestens mit der ersten Meldung mit dem angegebenen Geburtsdatum (§ 28a Abs. 3 Nr. 3 SGB IV) an die Krankenkasse als Sozialleistungsträger Verbindlichkeit eines genannten Geburtsdatums eintritt (so auch Lilge, SGB I, 5. Aufl., § 33a Rz. 22; Weselski/Öndül, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 33a Rz. 35, Stand: 15.3.2018).
Rz. 6b
Der Verweis auf Angaben im Rahmen des Sechsten Abschnitts des SGB IV (§§ 95 bis 110 SGB IV a. F.) der mit dem Gesetz zur Einführung eines Sozialversicherungsausweises und zur Änderung anderer Sozialgesetze v. 6.10.1989 (BGBl. I S. 1822) eingefügt worden war, geht inzwischen ins Leere. Die §§ 95 bis 110 SGB IV trafen Regelungen über die Ausstellung, Vorlage und Mitführung des Sozialversicherungsausweises. Der Sechste Abschnitt des SGB IV wurde mit Art. 1 Nr. 23, Art. 21 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 19.12.2007 (BGBl. I S. 3024) mit Wirkung zum 1.1.2008 aufgehoben, die Regelungen zum Sozialversicherungsausweis in § 18h SGB IV übernommen. Der Sechste Abschnitt war zwar mit dem Gesetz zur Einführung des elektronischen Entgeltnachweises (ELENA-Verfahrensgesetz) v. 28.3.2009 (BGBl. I S. 634) ab 2.4.2009 wieder eingefügt worden, ist aber mit Wirkung zum 3.12.2011 durch Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Beherbergungsstatistikgesetzes und des Handelsstatistikgesetz...