Rz. 15
Die Abänderung des nach Abs. 1 maßgeblichen Geburtsdatums durch Nachweis der Unrichtigkeit mittels einer Urkunde über ein "anderes" Geburtsdatum darf der jeweilige Leistungsträger nur dann vornehmen, wenn dieser Nachweis durch eine Urkunde geführt wird, die im Original vor der erstmaligen Angabe des Geburtsdatums gegenüber einem Sozialleistungsträger oder Arbeitgeber ausgestellt worden war. Unter Urkunden sind dabei nicht nur solche Schriftstücke zu verstehen, die ihrer Art nach als im Rechtsverkehr gerade zum Nachweis eines bestimmten Geburtsdatums bestimmt und geeignet sind (Personenstandsurkunden, Ausweise, Pässe), sondern Urkunden jeglicher Art (z. B. auch Schulregister, vgl. BSG, Urteil v. 28.4.2004, B 5 RJ 33/03 R; Urteil v. 5.4.2001, B 13 RJ 35/00 R). Aus dem Original der älteren Urkunde muss sich dabei ein anderes Geburtsdatum ergeben. Die Originalurkunde muss für den zu führenden Nachweis nicht vorgelegt werden.
Rz. 16
Bei Vorlage einer älteren Urkunde hat der Versicherungsträger oder im Streitfall das Gericht nach den allgemeinen Beweisregeln zu entscheiden, ob er diesen Nachweis eines anderen Geburtsdatums durch die Urkunde als erbracht ansieht und sich dadurch ein anderes Geburtsdatum ergibt (so BSG, Urteil v. 31.1.2002, B 13 RJ 9/01 R). Dabei können nur solche Urkunden berücksichtigt werden, die sich eindeutig auf den Antragsteller/Kläger beziehen (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 16.11.2017, L 7 R 100/15). Nicht erforderlich ist der Nachweis oder die Überzeugung, dass das nunmehr dokumentierte Geburtsdatum das richtige und wahre ist. Eine automatische Übernahme des in der Urkunde dokumentierten Geburtsdatums ist daher nicht zwingend. Durch den Nachweis eines anderen Geburtsdatums wird nur der Weg für die Abweichung von dem sonst nach Abs. 1 maßgeblichen Geburtsdatum eröffnet.
Rz. 17
Mit dieser Regelung wird letztlich aber weitgehend ausgeschlossen, dass nach dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs. 1 erfolgte Berichtigungen oder Änderungen des Geburtsdatums in Personenstandsregistern und daraus folgend in neuen Urkunden (Geburtsurkunden, Ausweise, Pässe etc.) zu einer Änderung des maßgeblichen Geburtsdatums führen können. Insbesondere wird dadurch ausgeschlossen, dass später ergangene ausländische Entscheidungen für altersabhängige Rechte maßgeblich werden. Für die Leistungsgewährung oder Pflichten kann und darf ein anderes als das maßgebliche Geburtsdatum nach Abs. 1 daher selbst in den Fällen gerichtlicher oder behördlicher Feststellungen und Entscheidungen zum "richtigen" Geburtsdatum nicht zugrunde gelegt werden. Selbst wenn sich dabei das wirkliche (wahre) Geburtsdatum in diesem Zusammenhang herausstellen sollte, kann es nicht berücksichtigt und das nach Abs. 1 maßgebliche Geburtsdatum nicht abgeändert werden. Der später erbrachte Nachweis eines anderen Geburtsdatums begründet auch keinen Anspruch auf Änderung des für die Sozialversicherung maßgeblichen Geburtsdatums.
Rz. 18
Die Regelung gilt sowohl für deutsche als auch für ausländische Betroffene, soweit für sie die Vorschriften des SGB gelten (vgl. Komm. zu § 30). In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/8994 S. 67) ist allerdings ausgeführt, dass Regelungen des zwischen- oder überstaatlichen Rechts unberührt bleiben. Da die Vorschrift allerdings nur im Fall der Geltung des Rechts des SGB Anwendung findet, also nicht vorrangiges über- oder zwischenstaatliches Recht eingreift, ist dieser Hinweis zweifelhaft. Da in- und ausländischen Urkunden kein unterschiedlicher Beweiswert zugemessen wird, sondern alle späteren Urkundsberichtigungen unbeachtlich bleiben, ist auch ein Verstoß gegen Europarecht i. S. d. Entscheidung des EuGH, Urteil v. 2.12.1997, C-336/94 (Dafeki), nicht unmittelbar ersichtlich.