Rz. 9
An die sich nach ausländischem Recht richtenden familienrechtlichen Beziehungen ist zwar grundsätzlich anzuknüpfen, für die Anwendung und Übertragung auf die Vorschriften des SGB ist aber zusätzliche Voraussetzung, dass dieses Rechtsverhältnis einem deutschen Rechtsverhältnis entspricht (3. Prüfungsschritt). Die Vorschrift bezweckt daher die Begrenzung sozialrechtlicher Ansprüche trotz Anwendung und Zugrundelegung internationalen Privatrechts und deren inländischer Anerkennung.
Rz. 10
Die Vergleichbarkeit muss sich nicht nur auf das ausländische familienrechtliche Rechtsverhältnis beziehen, sondern dies muss auch (zusätzlich) dem sozialrechtlichen vergleichbar sein (BT-Drs. 10/5632 S. 32). Dabei ist auf den Zweck der Anknüpfung von i. d. R. Leistungsansprüchen an das familienrechtliche Verhältnis abzustellen (so auch Weselski/Öndül, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 34 Rz. 21, Stand: 15.3.2018; Eichenhofer, in: Eichenhofer/Wenner, SGB I, IV, X, SGB I, § 34 Rz. 4).
Rz. 11
Die polygame Ehe (Mehrehe) ist nach deutschem Recht ausgeschlossen (§ 1306 BGB) und daher nicht mit der deutschen Ehe vergleichbar. Dies wird teilweise anders gesehen, mit der Begründung, Abs. 2 setze die Anerkennung der polygamen Ehe dem Grunde nach voraus. Wenn trotz der bekannten Problematik der Mehrehe in anderen Rechtsgebieten keine Regelung getroffen worden sei, welche klar bestimme, welche von mehreren Ehefrauen dann als solche nach dem SGB anzusehen sei, dann spreche dies jedenfalls dafür, dass auch jede der Ehefrauen als solche zu behandeln sei (Eichenhofer, in: Eichenhofer/Wenner, SGB I, IV, X, SGB I, § 34 Rz. 8; Prodan, in: v. Koppenfels-Spies/Wenner, SGB I, 3. Aufl., § 33 Rz. 12: kein Verstoß gegen inländischen ordre public). Die Regelung des Abs. 2 beschränkt sich ihrem Wortlaut nach aber ausdrücklich nur auf das Recht der Hinterbliebenenrenten. Es dürfte daher überzeugender sein, die polygame Ehe nicht auch für andere Rechtsbereiche (z. B. in der Krankenversicherung für die Familienversicherung, im Kindergeld-, Wohngeld- oder Sozialhilferecht) als vergleichbar anzuerkennen (so auch Weselski/Öndül, in: juris-PK SGB I, § 33 Rz. 33, Stand: 15.3.2018; Mrozynski, SGB I, 7. Aufl., § 33 Rz. 13; Meßner/Timme, in: Krahmer/Trenk-Hinterberger, SGB I, 4. Aufl., § 22 Rz. 7). Zum Ausschluss der Witwerrente nach dem Tod einer Ehefrau bei noch bestehender Ehe mit einer anderen Ehefrau nach § 1264 Abs. 2 RVO – jetzt § 46 SGB I vgl. BSG, Urteil v. 7.7.1998, B 5 RJ 58/97 R; Hess. LSG, Urteil v. 29.6.2004, L 2 RA 429/03).
Rz. 12
Ausgeschlossen hinsichtlich der Vergleichbarkeit wäre eine Ehe, wenn ausländisches Recht eine "Ehe auf Zeit" zuließe, denn der im deutschen Familien- und Sozialrecht verwandte Ehebegriff geht von einer auf Lebenszeit geschlossenen Ehe aus und knüpft zivil- oder sozialrechtlich Rechtsfolgen daran, dass sie durch Tod oder Scheidung endet. Dies gilt ab dem 1.10.2017 auch für die Ehe von zwei gleichgeschlechtlichen Personen.
Rz. 12a
Grundsätzlich richten sich die Voraussetzungen der Eheschließung und damit das Bestehen einer Ehe für jeden Verlobten nach dem Recht des Staates, dem er angehört (Art. 13 Abs. 1 EGBGB). Nach Art. 13 Abs. 3 EGBGB (i. d. F. des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen v. 17.7.2017, BGBl I S. 2429, ab 22.7.2017) ist, wenn sich die Voraussetzungen der Eheschließung nach Art. 13 Abs. 1 nach ausländischem Recht richtet, die Ehe nach deutschem Recht unwirksam, wenn der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte und aufhebbar, wenn der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte.
Rz. 13
Auch eine nichteheliche Lebensgemeinschaft scheitert an dem Begriff der Ehe, selbst wenn sie nach ausländischem (oder inländischem) Recht mit einem besonderen Status und Rechten und Pflichten bei Aufhebung verbunden wäre oder soweit sie, wie bei Leistungsansprüchen nach dem SGB II (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c) oder SGB XII (vgl. § 20), wie bei einer Ehe oder Lebenspartnerschaft, Berücksichtigung bei den Leistungsvoraussetzungen findet.
Rz. 13a
Nachdem die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft durch § 33b (zu den Voraussetzungen vgl. Komm. zu § 33b) als der Ehe ähnliches Verhältnis ausdrücklich anerkannt worden ist und der gleichgeschlechtliche Lebenspartner in vielen Bereichen dem Ehegatten gleichgestellt wird, ist auch die nach ausländischem Recht wirksam begründete gleichgeschlechtliche Ehe oder Partnerschaft als dem deutschen Recht vergleichbar anzusehen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass dieses nach ausländischem Recht wirksam begründete Verhältnis auch rechtlich verbindlich auf Dauer ausgerichtet und mit Unterhalts- und Einstandspflichten verbunden ist (vgl. Art. 17b EGBGB). Aufgrund der Einführung der Ehe auch für Personen gleichen Geschlechts (Art. 1 Nr. 2, Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts v. 20.7.2017, BGBl. I S. 2787) sind auch die nach ausländi...