Rz. 2
Die Vorschrift regelt die partielle Handlungsfähigkeit 15-Jähriger für den Bereich des Sozialrechts und erweitert insoweit die beschränkte Handlungsfähigkeit nach §§ 106ff. BGB.
Rz. 2a
Die Regelung ist in BT-Drs. 7/868 S. 28/29 wie folgt begründet worden:
"Zu den Grundsatznormen, die die Stellung des einzelnen im Sozialrecht bestimmen, gehört auch die Regelung, von welchem Alter an der einzelne ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters Sozialleistungen in Anspruch nehmen kann. Zur Zeit werden teils privat-rechtliche Grundsätze entsprechend angewandt, teils ist die Vollendung des 16. Lebensjahres maßgebend, teils unterstellt die Praxis eine Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. § 36 geht davon aus, dass Minderjährige bereits mit der Vollendung des 14. Lebensjahrs ins Arbeitsleben eintreten können und danach befugt sind, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Rechte selbstständig wahrzunehmen."
Im Verlauf der weiteren Beratungen ist die Altersgrenze dann auf die Kritik des Bundesrates (BT-Drs. 7/868 S. 41) auf das vollendete 15. Lebensjahr heraufgesetzt worden (BT-Drs. 7/3738 S. 5).
Rz. 2b
Bei der Vorschrift handelt es sich jedoch nicht um eine generelle Regelung für die Rechtsstellung des/der Minderjährigen im Sozialrecht, da sich die Handlungsfähigkeit nur auf die Beantragung und Verfolgung von Sozialleistungsansprüchen bezieht und auf diese beschränkt ist. Diese bereits starke Einschränkung kann zudem durch den/die gesetzlichen Vertreter weiter eingeschränkt werden. Aufgrund der Beschränkung auf Sozialleistungsansprüche bedurfte es z. B. für die Ausübung von Krankenkassenwahlrechten einer ausdrücklichen Regelung in § 175 Abs. 1 Satz 3 SGB V.
Rz. 2c
Die Vorschrift wird durch § 11 Abs. 1 Nr. 2 SGB X, § 71 Abs. 2 SGG, § 62 Abs. 1 Nr. 2 VwGO notwendig um die verwaltungsverfahrensrechtliche und prozessuale Handlungsfähigkeit ergänzt, die die eigene effektive Verfolgung und Durchsetzung der eigenen Ansprüche erst ermöglicht. Erst dadurch werden Minderjährige im Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren in eigenen Angelegenheiten handlungs- bzw. prozessfähig. Für den Bereich des Bürgergeldes ist in § 38 SGB II eine besondere Vertretungsregel vorgesehen, wonach der antragstellende Hilfebedürftige bevollmächtigt ist, Leistungen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft entgegenzunehmen und alle damit verbundenen Verfahrenshandlungen vorzunehmen.
Rz. 3
Die Vorschrift fällt nicht unter den Vorbehalt besonderer Bestimmungen nach § 37, gilt also uneingeschränkt für alle Bereiche des SGB. Vorausgesetzt wird von der Vorschrift die zumindest beschränkte Geschäftsfähigkeit Minderjähriger (§ 106 BGB), die nicht wegen § 105 BGB fehlen darf. Unberührt von der Vorschrift bleibt die Handlungs- und Einwilligungsfähigkeit nach Zivil- oder Strafrecht für medizinische Maßnahmen.