Rz. 5
Im Asylverfahren erfolgt zunächst eine räumliche Zuweisung der Asylbewerber, um eine gleichmäßige Verteilung der hiermit verbundenen Lasten zu gewährleisten. Abs. 2 trifft selbst keine Zuständigkeitsregelung, sondern knüpft an die Regelungen in § 10a zur örtlichen Zuständigkeit an und normiert Sanktionen für den Fall des Zuwiderhandelns gegen ausländerrechtliche räumliche Beschränkungen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 27.10.2006, L 20 B 52/06 AY ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 20.2.2014, L 8 AY 98/13 B ER). Abs. 2 Satz 1 betrifft diejenigen Personen, die asyl- oder ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkungen zuwiderhandeln. Dabei kommen räumliche Beschränkungen nach §§ 56 bis 59b AsylG, nach § 61 Abs. 1 bis Abs. 1c sowie §§ 12 Abs. 2, 24 Abs. 5 und § 46 Abs. 1 AufenthG in Betracht.
Abs. 2 Satz 2 betrifft diejenigen Personen, die einer Wohnsitzauflage zuwiderhandeln. Es kommen Wohnsitzauflagen nach § 60 AsylG oder § 61 Abs. 1d AufenthG in Betracht. In den Fällen der räumlichen Beschränkungen darf die für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständige Behörde den betreffenden Leistungsberechtigten regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des unabweisbaren Bedarfs für die Reise zu ihrem rechtmäßigen Aufenthaltsort gewähren. Leistungsberechtigten, die entgegen einer Wohnsitzauflage ihren gewöhnlichen Aufenthalt nehmen, darf von der für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständigen Behörde regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des unabweisbaren Bedarfs für die Reise zu dem Ort gewährt werden, an dem sie entsprechend der Wohnsitzauflage ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen haben.
Rz. 6
Die Reisebeihilfe sollte, soweit erforderlich, aus einer Fahrkarte und Reiseproviant bestehen, da innerhalb des Bundesgebiets nur Reisestrecken in Betracht kommen, die innerhalb eines Tages bewältigt werden können. Nur in atypischen Ausnahmefällen kommen weitere Leistungen in Betracht. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzuwenden (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 11 Rz. 10). In Betracht kommt dies etwa bei krankheitsbedingter Reiseunfähigkeit. Die Leistungen können gemäß Abs. 2 Satz 2 als Sach- oder Geldleistungen erbracht werden. Die für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständige Behörde entscheidet darüber nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Vorrangregelungen nach § 2 Abs. 1 und 2 sowie § 3 Abs. 2 und 3 gelten in dieser speziellen Konstellation nicht (Groth, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII (in Vorbereitung) – 4. Aufl., AsylbLG, § 11 Rz. 65 f.).
Rz. 7
Mit der Änderung von Abs. 2 Satz 2 durch das Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. Rz. 1b) wird klargestellt, dass auch der Verstoß gegen eine Wohnsitzauflage nicht dazu führt, dass Sozialleistungen an dem Ort bezogen werden können, an dem der Wohnsitzauflage zuwider ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet wird (BT-Drs 19/10047 S. 52). Ein Verstoß gegen Wohnsitz- und Aufenthaltsauflagen i. S. d. Abs. 2, die sich aus §§ 60a bis 61 AufenthG bzw. §§ 59a bis 60 AsylG a. F. bzw. §§ 56, 59a AsylG ergeben können, liegt jedoch nur dann vor, wenn diese noch wirksam sind.
Rz. 8
Verstößt eine Frau bei der notwendigen Flucht in ein Frauenhaus gegen eine Wohnsitzauflage, die z. B. mit der Duldung nach § 60a AufenthG verfügt worden ist, so liegt nach der Gesetzesbegründung zum Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. Rz. 1b und 5) ein ausnahmsweise über den Reisebedarf hinausgehender unabweisbarer Bedarf vor, wenn dies wegen der Unzumutbarkeit der Rückkehr an den erlaubten Aufenthaltsort zwingend geboten ist. Ein solcher Fall der Unzumutbarkeit liegt insbesondere vor, wenn etwa erwachsene Leistungsberechtigte zum Schutz vor häuslicher oder geschlechtsspezifischer Gewalt sowie anderer Gewaltformen in Frauenhäusern oder sonstigen Schutzeinrichtungen außerhalb des ihnen zugewiesenen räumlichen Aufenthaltsortes Zuflucht finden (BT-Drs. 10/10047 S. 52). Damit sind viele zuvor bestehende Zweifelsfragen wohl geklärt.
Rz. 9
Keine Anwendung findet Abs. 2 auf Fälle des Verstoßes gegen die Regelung in § 50 Abs. 5 AufenthG. Hiernach hat ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als 3 Tage verlassen will, dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen. Der Zweck dieser Regelung besteht darin, der Ausländerbehörde die Kontrolle über den Aufenthalt von ausreisepflichtigen Ausländern zu ermöglichen, um bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen jederzeit eine Abschiebung vornehmen zu können. Hierbei handelt es sich nicht um eine räumliche Beschränkung i. S. d. § 11 Abs. 2 AsylbLG (wie hier Deibel, ZFSH 2012, 192), sodass bei einem Verstoß gegen § 50 Abs. 5 AufenthG keine Absenkung der Leistungen auf die "unabweisbar gebotene Hilfe" möglich ist.
Rz. 10
Zu beachten ist jedoch, dass die Zuständigkeit zur Abänderung der Wohnsitzauflage bei der Ausländerbehörde liegt, die häufig nicht mit dem Leistungsträger nach dem AsylbLG identisch...