0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Das AsylbLG geht auf den sog. Asylkompromiss v. 6.12.1992 zurück (hierzu Haberland, ZAR 1994 S. 3 und 51). Es ist mit dem Gesetz zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber v. 30.6.1993 (BGBl. I S. 1074) am 1.11.1993 in Kraft getreten.
Durch Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes v. 26.5.1997 (BGBl. I S. 1130) wurde anstelle der zuvor geltenden Wartezeit eine Vorbezugszeit von 36 Monaten eingeführt, innerhalb derer abgesenkte Leistungen normiert wurden. Anschließend sollte Anspruch auf Sozialhilfe bestehen.
Rz. 1a
Durch Art. 8 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) v. 30.6.2004 (BGBl. I S. 1950) wurde Abs. 1 geändert und bei Rechtsmissbrauch (z. B. Vernichtung des Passes oder Täuschung über die Identität) eine unbefristete Absenkung der Leistungen eingeführt.
Durch Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union) v. 19.8.2007 (BGBl. I S. 1970) wurde zum 28.8.2007 die Vorbezugszeit auf 48 Monate verlängert. Das BSG (Urteil v. 24.6.2021, B 7 AY 3/20 R) hat die Verlängerung der Vorbezugszeit für verfassungsgemäß erachtet.
Rz. 1b
Durch Art. 1 Nr. 3a des Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes v. 10.12.2014 (BGBl. I S. 2187) trat mit Wirkung zum 1.3.2015 an die Stelle der Vorbezugszeit von 48 Monaten eine Wartezeit von 18 Monaten, deren Berechnung nicht wie zuvor an den Vorbezug von Grundleistungen nach § 3, sondern an die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet geknüpft war. Durch Nr. 3b wurde in Abs. 3 das Wort "nur" durch das Wort "auch" ersetzt (vgl. Rz. 21).
Rz. 1c
Durch Art. 4 Nr. 2 des Integrationsgesetzes v. 31.7.2016 (BGBl. I S. 1939) wurde die Aufzählung in Abs. 1 Satz 1 geändert und die §§ 5 bis 5b von den Analogleistungen ausgenommen. Es waren nur redaktionellle Änderungen vorgesehen.
Rz. 1d
Durch Art. 5 Nr. 3 des Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht v. 15.8.2019 (BGBl. I S. 1294) wurde mit Wirkung zum 21.8.2019 Abs. 1 Satz 1 geändert und Abs. 1 Satz 2 gestrichen.
Rz. 1e
Durch Art. 1 Nr. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes v. 13.8.2019 (BGBl. I S. 1290) wurden mit Wirkung zum 1.9.2019 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Sonderregelungen für Auszubildende eingefügt. Durch Art. 20 Abs. 6 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) wurde mit Wirkung zum 1.1.2020 Abs. 1 Satz 1 geändert und ein Verweis auf das SGB IX eingefügt. Hierdurch wurde die Neuregelung der Eingliederungshilfe in Teil 2 SGB IX (statt zuvor in §§ 53 bis 60 SGB XII) berücksichtigt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Für Leistungsempfänger, die sich bereits seit längerer Zeit im Bundesgebiet aufhalten, ist der Anlass zur Gewährung der (abgesenkten) Leistungen nach dem AsylbLG, nämlich der nur vorübergehende Aufenthalt und die fehlende Integration, fraglich. Dem sollen die Regelungen der Vorschrift Rechnung tragen, indem Vorschriften des SGB XII und des SGB IX (Eingliederungshilfe) unter bestimmten Voraussetzungen anzuwenden sind. Die Leistungen werden daher auch als Analogleistungen bezeichnet. Der Gesetzgeber bringt damit aber auch zum Ausdruck, dass ein Wechsel des Leistungssystems nicht erfolgen soll. Die für die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG zuständigen Behörden sollen weiter zuständig bleiben. Die Interaktion zwischen der Leistungsgewährung und dem ausländerrechtlichen und asylrechtlichen Status soll beibehalten werden (vgl. auch Herbst, in: Mergler/Zink, AsylbLG, § 2 Rz. 6 bis 8).
Abs. 1 Satz 1 normiert die Voraussetzungen für die entsprechende Anwendung von Vorschriften des SGB XII. Abs. 1 Satz 2 und 3 enthält umfangreiche Regelungen für die in Ausbildung befindlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Abs. 2 enthält Regelungen zur Form der Leistungsgewährung bei Aufenthalt in einer Gemeinschaftsunterkunft. Abs. 3 enthält Regelungen zum Leistungsanspruch minderjähriger Kinder.
2 Rechtspraxis
2.1 Voraussetzungen für die Leistungen in besonderen Fällen
2.1.1 Vorangehender Aufenthalt im Bundesgebiet
Rz. 3
Abs. 1 benennt als erste personenbezogene Voraussetzung, dass der Leistungsempfänger sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufgehalten hat. Maßgeblich ist der tatsächliche Aufenthalt im Bundesgebiet, gleichgültig, ob rechtmäßig oder unrechtmäßig. Im letzteren Falle ist jedoch die weitere Voraussetzung (keine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer) genau zu prüfen. Der Leistungsberechtigte muss sich ohne wesentliche Unterbrechung 18 Monate im Bundesgebiet aufgehalten haben. Ob die Unterbrechung wesentlich ist oder nicht, ist aufgrund der zeitlichen Dauer der Unterbrechung und der dafür maßgeblichen Gründe zu entscheiden. Überschreitet die Unterbrechung einen Monat, so ist sie grundsätzlich nicht als unwesentlich anzusehen. Die Begründung zum Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialg...