Rz. 7
Sonstige Leistungen können gemäß Abs. 1 Satz 1 Fallgruppe 1 gewährt werden, wenn sie zur Sicherung des Lebensunterhalts unerlässlich sind. Diese Regelung ist im Zusammenhang mit § 3 zu sehen. Anzuknüpfen ist damit an ein gegenüber den Leistungen nach dem SGB XII deutlich abgesenktes Leistungsniveau. Ob nach der Entscheidung des BVerfG v. 18.7.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) eine restriktive Auslegung der Vorschrift nicht mehr beibehalten werden kann (Frerichs, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 6 Rz. 33 ff.) ist streitig, denn nach der Auffassung des BVerfG soll die Vorschrift keinen Ausgleich struktureller Art bewirken. Bei der restriktiven Handhabung der Vorschrift ist die grundlegende Entscheidung des Gesetzgebers zu berücksichtigen, durch die Grundleistungen etwa des § 3 einen geringeren Lebensstandard zu gewährleisten (Frerichs, a. a. O., Rz. 34). Es kann nur an das im Verhältnis zum SGB XII reduzierte, deutlich abgesenkte Lebensniveau angeknüpft werden (Deibel/Hohm/Deibel, AsylbLG aktuell, § 6 Rz. 14). Liegt die begehrte Leistung darüber, ist § 6 nicht einschlägig (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 6 Rz. 7).
Rz. 8
Bei der Unerlässlichkeit ist auf den Einzelfall abzustellen. Die Umstände der Unterbringung müssen ebenso Berücksichtigung finden wie die Dauer des voraussichtlichen Aufenthalts. Daher kann bei Personen, deren Ausreise kurz bevorsteht, ein geringerer Bedarf bestehen als bei solchen Ausländern, deren Aufenthalt in Deutschland nicht in absehbarer Zeit beendet sein wird. Einen pauschalierten Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende hat das BSG zwar verneint, aber es für zulässig erachtet, für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG solche Bedarfe wegen Alleinerziehung im Grundsatz anknüpfend an konkret erkennbar werdende Bedarfslagen und dabei im Regelfall als Sachleistung zu gewähren (BSG, Urteil v. 25.10.2018, B 7 AY 1/18 R). Zusätzliche Kosten, die durch Ausübung des Umgangsrechts entstehen, insbesondere Fahrten eines geschiedenen Elternteils zum Kind und angemessene Fahrtkosten des Kindes zu einem Elternteil sind ebenfalls nicht pauschal, aber im Einzelfall anerkennungsfähig (BVerwG, Urteil v. 22.8.1995, 5 C 15/94; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 3.1.2006, L 8 B 11/05 AY ER; Deibel, in: GK-AsylbLG, § 6 Rz. 79 ff.). Anerkannt wird auch ein ernährungsbedingter Mehrbedarf im Einzelfall (Siefert/Krauß, AsylbLG, § 6 Rz. 28; Deibel, ZAR 1995, 57, 62), ein behinderungsbedingter Mehrbedarf (BSG, Urteil v. 24.6.2021, B 7 AY 1/20 R; Siefert/Krauß, a. a. O.), des Weiteren ein Mehrbedarf für eine Erstausstattung oder zur Religionsausübung (Kosten einer Beschneidung, Deibel/Hohm/Deibel, AsylbLG aktuell, § 6 Rz. 73, nicht aber die Kosten einer selbst ausgerichteten Beschneidungsfeier), eine Ausstattung für die Teilnahme an einer religiös motivierten Feier (z. B. Kommunion- oder Konfirmation Dritter – Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 6 Rz. 13). Ein Mehrbedarf für Umzugskosten oder Kleidungsübergrößen bedarf ebenfalls der besonderen Begründung im Einzelfall (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, a. a. O., Rz. 13 m. w. N.).
Rz. 9
Einem nach § 60a AufenthG geduldeten Ausländer, der seine Ausreise aus Deutschland dadurch vereitelt, dass er nicht an der Beschaffung von Passersatzpapieren mitwirkt, sind keine Leistungen nach § 6 AsylbLG für den Besuch eines Deutschkurses zu gewähren. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums garantiert keinen Sprachkurs für eine Integration in die deutsche Gesellschaft, für die, würde sich der Betreffende ausländerrechtskonform verhalten und seine Ausreise vorantreiben, von vornherein gar kein Bedürfnis bestehen könnte (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 19.5.2014, L 20 AY 90/13). Die Förderung nach § 43 AufenthG setzt einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet voraus (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 6 Rz. 12).