Rz. 18
Neben den Regelungen der §§ 44f. SGB X (dazu § 9 Abs. 4 Nr. 1, s. o.) erklärt § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 auch die Regelungen in §§ 102 bis 114 SGB X für entsprechend anwendbar. Damit finden die dort genannten Erstattungsregeln der Sozialleistungsträger untereinander auch Anwendung für das Verhältnis der Sozialleistungsträger zu den Trägern der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Besondere praktische Bedeutung kommt dabei insbesondere den Regelungen in § 102 SGB X (Erstattungsanspruch des vorläufig leistenden Trägers), § 103 SGB X (Erstattungsanspruch des Leistungsträgers, dessen Leistungspflicht nachträglich entfallen ist) und § 104 SGB X (Erstattungsanspruch des Leistungsträgers, der nur nachrangig verpflichtet ist) zu. Zur Frage der Anwendung des § 105 SGB X und der bejahten Kongruenz zwischen Leistungen nach dem AsylbLG und Leistungen nach dem SGB II vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 9.2.2012, L 9 AS 36/09. Zur Gleichartigkeit der Geldleistung Kindergeld mit Sachleistungen nach dem AsylbLG vgl. FG Hamburg, Urteil v. 13.8.2012, 1 K 29/11, zitiert nach juris, Zur Frage der Anwendbarkeit der Ausschlussfrist des § 111 SGB X bei Erstattungsansprüchen nach § 10b AsylbLG vgl. Urteil LSG Nordrhein-Westfalen v. 4.6.2012, L 20 AY 8/10; Revision bei dem BSG anhängig unter B 7 AY 5/12 R). § 105 Abs. 3 SGB X war bis zum 28.2.2015 nicht anwendbar, weil diese Vorschrift der Flankierung des Kenntnisgrundsatzes i. S. d. § 18 SGB XII dienen soll und der Kenntnisgrundsatz im AsylbLG bis zur Schaffung des § 6b AsylbLG mit Wirkung zum 1.3.2015 durch das Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes v. 10.12.2014 (BGBl. I S. 2187) nicht galt (BSG, Urteil v. 30.10.2013, B 7 AY 2/12 R; SG Dortmund, Urteil v. 28.11.2013, S 47 AY 148/11; im konkreten Fall die Anwendung des § 105 Abs. 3 SGB X offen lassend, aber ebenfalls skeptisch zur Anwendbarkeit: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 9.2.2012, L 9 AS 36/09). Seit es die Verweisung auf § 18 SGB XII in § 6b AsylbLG gibt, dürften gegen die Anwendung des § 105 Abs. 3 SGB X keine Bedenken mehr bestehen. Zur Anwendung des § 104 SGB X bei nachträglicher Kindergeldfestsetzung nach § 74 Abs. 2 EStG vgl. BFH, Beschluss v. 5.6.2014, VI R 15/12, unter Hinweis darauf, dass Kindergeld sozialrechtlich Einkommen dessen ist, an den es ausgezahlt wird.
Rz. 19
Leistungen, die nach § 11 Abs. 2 erbracht worden sind, lösen keinen Erstattungsanspruch nach den §§ 102f. SGB XI aus; denn diese Leistungen werden nicht vorläufig geleistet, sondern endgültig durch die Behörde, die für den tatsächlichen Aufenthalt zuständig ist (VG Madgeburg, Urteil v. 13.2.2002, 6 A 489/01; Hohm, AsylbLG, § 9 Rz. 52.1). Ein Anspruch nach § 102 Abs. 1 SGB X kommt nicht mehr in Betracht, wenn die Leistungspflicht des klagenden Leistungsträgers in einem rechtskräftigen Urteil gegenüber den Leistungsbeziehern bereits festgestellt wurde (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 5.9.2016, L 20 AY 30/15).
Rz. 20
Einen Anspruch aus § 105 SGB X (Erstattungsanspruch des unzuständigen Leistungsträgers) hat das VG Meiningen (Urteil v. 6.9.1995, 8 K 597/94 Me) einer kreisfreien Stadt zugesprochen, wobei es ergänzend auf Thüringer Landesrecht Bezug genommen hat, worin klargestellt wird, dass die kreisfreien Städte die Aufgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz als übertragene Aufgabe wahrnehmen, nicht als eigene Aufgabe. Ein Leistungsträger, der in Kenntnis seiner Unzuständigkeit gleichwohl Leistungen erbringt, kann entsprechend der in § 242 BGB enthaltenen Regelung über die Grundsätze von Treu und Glauben gehindert sein, einen Erstattungsanspruch gegen den zuständigen Träger durchzusetzen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 5.12.2001, 12 A 3537/99).