Rz. 20
Bei der Perspektivklärung nach Abs. 1 ist der Maßstab, ob die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen vertretbaren Zeitraums so weit verbessert werden, dass die Herkunftsfamilie das Kind oder den Jugendlichen wieder selbst erziehen, betreuen und fördern kann. Die Regelung greift insoweit die Regelungen zum Vorrang der Herkunftsfamilie und zur Rückkehroption nach § 37 Abs. 1 Satz 2 auf (auf die Komm. zu § 37 wird insoweit verwiesen).
Rz. 21
Wie in der geltenden Fassung des § 37 Abs. 1 Satz 2 bereits vorgesehen, ist im Prozess der Perspektivklärung nach Abs. 1 entscheidend, ob durch die im Rahmen der erzieherischen Hilfe gewährten Leistungen die Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen vertretbaren Zeitraums so weit verbessert werden können, dass sie das Kind oder den Jugendlichen wieder selbst erziehen kann. Von zentraler Bedeutung ist daher auch bei der Perspektivklärung die Beratung und Unterstützung der Eltern und die Förderung ihrer Zusammenarbeit mit der Pflegeperson bzw. der in der Einrichtung für die Erziehung des Kindes oder Jugendlichen verantwortlichen Person (BR-Drs. 5/21 S. 89 = BT-Drs. 19/26107 S. 91).
Rz. 21a
Der Begriff vertretbarer Zeitraum knüpft nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Norm an der Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen an. Innerhalb eines vertretbaren Zeitraums muss es zu einer Verbesserung der Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie kommen. Maßgeblich ist daher der kindliche Zeitbegriff (Ivanits, NZFam 2022 S. 813, 815). Der vertretbare Zeitraum ist dabei nicht starr, sondern immer eine Frage des Einzelfalls. Dem Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen kommt dabei prägende Bedeutung zu. Unter Bezugnahme auf die psychologische Forschung werden in der Literatur Maximalzeiten diskutiert, nach deren Ablauf die Annahme unvernünftig ist, dass die verbliebenen Bindungen eines Kindes an seine abwesenden Eltern wichtiger wären als jene Bindungen, die sich zwischen ihm und seinen langzeitigen Betreuungspersonen entwickelt haben. Bei einem Kind, das zum Zeitpunkt der Unterbringung bis zu drei Jahre alt war, werden 12 Monate angenommen; bei einem Kind, das zum Zeitpunkt der Unterbringung über drei Jahre alt war, werden 24 Monate angenommen (Ivanits, a.a.O).