Rz. 50
Abs. 5 normiert die Voraussetzungen für freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme. Darunter ist die Unterbringung eines Kindes oder eines Jugendlichen in einer geschlossenen Einrichtung oder auch die Fesselung oder Fixierung gemeint. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen sind nicht gemeint. Durch das KICK wird mit Wirkung zum 1.10.2005 die Befugnis auf alle Alternativen der Inobhutnahme ausgedehnt. Die Vorschrift macht deutlich, dass die Inobhutnahme nicht die Befugnis zu freiheitsentziehenden Maßnahmen automatisch mit beinhaltet. Freiheitsentziehende Maßnahmen sind nur zur Abwendung einer Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder Jugendlichen oder eines Dritten zulässig. Demnach muss die Gefahr einer Selbstgefährdung oder einer Fremdgefährdung bestehen. Als Selbstgefährdung kommt in erster Linie die Suizidgefährdung in Betracht. Bei akuter Gesundheitsgefährdung durch eine Suchtkrankheit kommt eine Unterbringung aufgrund landesrechtlicher Vorschriften statt der freiheitsentziehenden Inobhutnahme in Betracht; vgl. dazu das nordrhein-westfälische Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) v. 17.12.1999 (GV NRW 1999 S. 662). Bei Fremdgefährdung kommt die freiheitsentziehende Inobhutnahme bei strafunmündigen oder schuldunfähigen Kindern oder Jugendlichen zum Zuge. Abs. 5 Satz 1 konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dahingehend, dass die Maßnahme zur Abwendung einer Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eines Dritten erforderlich sein muss. Nach Abs. 5 Satz 2 endet die Befugnis zur freiheitsentziehenden Inobhutnahme nach Ablauf des Tages nach ihrem Beginn. Sie darf nur aufgrund gerichtlicher Entscheidung fortgesetzt werden. Das SGB VIII enthält über die Eilzuständigkeit hinaus keine Rechtsgrundlage für eine fortzuführende Freiheitsentziehung. Die Fortdauer der Freiheitsentziehung kommt aufgrund § 1631b BGB nach §§ 81, 126a StPO oder aufgrund eines Haftbefehls in Betracht. Wird die Unterbringung eines Kindes in einer geschlossenen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat der EU in Betracht gezogen, so ist Art. 56 EGV 2201/2003 zu beachten, wonach die zuständige Behörde des ersuchten Staates dieser Unterbringung zustimmen muss. Die Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts, mit der die zwangsweise Unterbringung eines Kindes in einem geschlossenen Heim in einem anderen Mitgliedstaat angeordnet wird, muss vor ihrer Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat dort für vollstreckbar erklärt werden (EuGH, Urteil v. 26.4.2012, C-92/12 PPU; Pirrung, IPrax 2013 S. 404).
Rz. 51
Abs. 6 stellt klar, dass die Fachkräfte des Jugendamtes nicht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs befugt sind. Muss die Inobhutnahme mit den Mitteln des unmittelbaren Zwangs durchgesetzt werden, so ist hierfür die Polizei nach Maßgabe der Polizeigesetze der Länder berechtigt. Die Mitarbeiter des Jugendamtes sollten sie im Wege der Amtshilfe hinzuziehen.