0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher (VerbaKJUVBG) v. 28.10.2015 (BGBl. I S. 1802) mit Wirkung zum 1.11.2015 in das SGB VIII eingefügt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift enthält eine Übergangsregelung zur Verteilung unbegleiteter Minderjähriger auf die Bundesländer. Vor der Einführung des Verteilungsverfahrens nach § 42b hatten einige Bundesländer nur sehr wenige unbegleitete minderjährige Asylsuchende und Flüchtlinge aufgenommen. Die Vorschrift des § 42d räumt diesen Bundesländern eine Übergangsfrist ein, damit sie die ihre Aufnahmequoten stufenweise erhöhen und die Aufnahmequote nach und nach erfüllen. Es sollen während dieser Zeit Unterbringungsmöglichkeiten ausgebaut bzw. geschaffen und notwendige Kompetenzen erweitert bzw. erworben werden (BT-Drs. 18/5921 S. 27 f.).
2 Rechtspraxis
2.1 Anzeigepflicht und Reduzierung der Aufnahmequote
Rz. 3
Wenn ein Land seine Aufnahmepflicht bei Inkrafttreten des Gesetzes entsprechend der Quote nach § 42c nicht erfüllen kann, hat es nach Abs. 1 die Möglichkeit, dies gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzuzeigen. Das in der Vorschrift eingeräumte Ermessen ist dann auf Null reduziert, wenn die Ressourcen zur Unterbringung und Betreuung des Minderjährigen noch nicht vorhanden sind. Nach Abs. 2 reduziert sich die Aufnahmequote für den Zeitraum bis zum 1.12.2015 um zwei Drittel und bis zum 31.12.2015 um ein Drittel. Ab 1.1.2016 ist das Land zur vollständigen Erbringung der Aufnahmekapazität entsprechend der Aufnahmequote verpflichtet.
2.2 Verlängerung der Monatsfrist
Rz. 4
Gemäß Abs. 3 Satz 1 konnte der Verteilungsausschluss nach § 42b Abs. 4 Nr. 4 bis zum 31.12.2016 von einem Monat auf 2 Monate verlängert werden. Damit sollte verhindert werden, dass das Erstscreening zu einer unsorgfältigen, nicht dem Kindeswohl entsprechenden "Schnellprüfung" wird oder die Begleitung und Übergabe an das zuständige Jugendamt durch ungeeignete Personen erfolgte (Kirchhoff, in: Luthe/Nellissen, jurisPK-SGB VIII, § 42d Rz. 12). Diese Gefahr besteht insbesondere während der ersten Monate nach Inkrafttreten der Neuregelungen.
Rz. 5
Aufgrund der längeren Ausschlussfrist muss in dieser Übergangsphase die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers für den unbegleiteten Minderjährigen nach Ablauf eines Monats nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme durch das Jugendamt veranlasst werden (Abs. 3 Satz 2). Die Bestellung sollte bei den unbegleiteten Minderjährigen im Vergleich zu den mit Personensorge- oder Erziehungsberechtigten eingereisten Minderjährigen (vgl. dazu § 42 Abs. 3 Satz 4) nicht noch weiter aufgeschoben werden.
2.3 Kostenerstattung für Altfälle
Rz. 6
Bis zum 31.10.2015 sah § 89d Abs. 3 a. F. einen bundesweiten Belastungsausgleich zwischen allen Bundesländern vor. Das Bundesverwaltungsamt bestimmte den für die Erstattung zuständigen überörtlichen Träger. Nach Abs. 4 Satz 1 ist ab 1.8.2016 ist die Geltendmachung von Kostenerstattung für die vor dem 1.11.2015 (Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher – VerbaKJUVBG v. 28.10.2015, BGBl. I S. 1802) entstandenen Kosten gegenüber dem nach § 89d Abs. 3 erstattungspflichtigen Land ausgeschlossen. Gemäß Abs. 4 Satz 2 wurde für diese Altfälle auch die in § 113 SGB X normierte Verjährungsfrist für Kostenerstattungsansprüche auf ein Jahr verkürzt. Seit dem 1.7.2017 ist somit die Erstattung von Kosten, die bis zum 31.10.2015 angefallen sind, ausgeschlossen.
2.4 Kostenerstattung für Neufälle
Rz. 7
Abs. 5 regelt die Kostenerstattungsansprüche des örtlichen Trägers für Kosten, die nach Inkrafttreten des VerbaKJUVBG, also ab 1.10.2015, entstanden sind. Da für diesen Zeitraum das Verteilungsverfahren bereits gilt und eine gleichmäßige Kostenbelastung der Bundesländer gewährleistet, kommt nur noch die Kostenerstattung durch das "eigene" Land nach § 89d Abs. 1 in Betracht. Dies galt auch für Maßnahmen, die bereits vor dem 1.10.2015 begannen (Wiesner/Wapler/Steinbüchel, 6. Aufl. 2022, SGB VIII, § 42d Rz. 5).