Rz. 22
Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Träger gemeinnützige Ziele verfolgt (Nr. 3). Auch wenn der jugendhilferechtliche Begriff mit dem steuerrechtlichen Begriff der Gemeinnützigkeit nicht identisch sein soll, stellt die Praxis doch darauf ab, ob die steuerrechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Steuerbegünstigung nach §§ 51 ff. AO gegeben sind und die Steuerbehörde die Gemeinnützigkeit tatsächlich anerkannt hat (Kern, in: Schellhorn, SGB VIII, § 74 Rz. 8; Kunkel, in: LPK-SGB VIII, § 74 Rz. 12). Der Nachweis der Verfolgung gemeinnütziger Ziele ist indessen nicht auf die Fälle beschränkt, in denen der Träger steuerrechtlich so behandelt wird (so auch Banafsche, VSSR 2011 S. 37, 58; Mrozynski, Kinder- und Jugendhilfe SGB VIII, § 74 Rz. 8). Dies würde weder der erklärten Absicht des Gesetzgebers noch der gesetzlichen Formulierung gerecht (vgl. BT-Drs. 11/6748 S. 82; Wiesner, § 74 Rz. 19 f.; a. A. Münder, in: v. Boetticher/Münder u. a., FK-SGB VIII, § 74 Rz. 11; Kern, in: Schellhorn, SGB VIII, § 74 Rz. 8).
Rz. 23
Bei gewerblichen Trägern ist von einem Erwerbsinteresse auszugehen, das mit der Verfolgung gemeinnütziger Ziele zumindest teilweise konfligiert. Sie sind von der Förderung daher ausgeschlossen. Das steht im Einklang mit §§ 75 f. und § 78. Auch für die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe und für die Beteiligung an der Wahrnehmung anderer Aufgaben der Jugendhilfe sowie für die Vertretung in Arbeitsgemeinschaften sind die privatgewerblichen Träger der freien Jugendhilfe nicht gesetzlich vorgesehen. Diese Privilegierung der gemeinnützigen Träger wurde für den Bereich der Sozialhilfe als verfassungsrechtlich zulässig erachtet (BVerwG, RsDE S. 3, 75; VGH Baden-Württemberg, FEVS 38 S. 329). Sie dürfte sich erst recht für den Jugendhilfebereich verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen, weil bei der Leistungserbringung der Jugendschutz eine wichtige Rolle spielt, der zu den Verfassungsrechtsgütern von hohem Rang gehört (vgl. Art. 5 Abs. 2 GG; vgl. dazu Kunkel/Kepert, in: LPK-SGB VIII, § 74 Rz. 17; skeptisch Banafsche, VSSR 2011 S. 37, 61). Es sind legitime Erwägungen des Gesetzgebers, bei seiner Förderung den Trägern mit gemeinnützigen Interessen den Vorrang vor gewerblichen zu geben, weil er die Erfüllung seines Jugendschutzauftrages bei diesen eher gewährleistet sieht und den Förderbedarf hier höher einschätzt. Bedenklich wäre dies nur, wenn damit ein Ausschluss privat-gewerblicher Träger einherginge (aber auch sie können Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe sein: Wiesner, § 3 Rz. 10a; v. Boetticher/Münder, in: Münder u. a., FK-SGB VIII, § 3 Rz. 5; a. A. Kunkel, ZfJ 2004 S. 376). Auf Gewinnerzielung ausgerichtete Einrichtungen und Träger können indessen gleichwohl Kostenvereinbarungen nach § 77 sowie Leistungs- und Entgeltvereinbarungen nach §§ 78a ff. abschließen. Ebenso wenig sind sie von einer Förderung nach allgemeinem Haushaltsrecht i. V. m. § 4 Abs. 3 ausgeschlossen; lediglich der Förderanspruch nach § 74 ist nicht gegeben. Eine Abwägung der finanziellen und sonstigen Auswirkungen für privat-gewerbliche Träger mit den auf dem Spiel stehenden Jugendschutzbelangen führt daher zu einem vertretbaren Vorrang für die gemeinnützigen Träger bei der öffentlichen Förderung (vgl. im Einzelnen v. Boetticher/Münder, in: Münder u. a., FK-SGB VIII, § 74 Rz. 11; kritisch Wiesner, RdJB 1997 S. 279).
Rz. 23a
Die Rechtsform der Handelsgesellschaft schließt die Verfolgung gemeinnütziger Ziele nicht von vornherein aus. Auch die gemeinnützige GmbH und eine GmbH, die diese Rechtsgestalt anstrebt, können die Voraussetzung des § 74 Abs. 1 Nr. 3 erfüllen.
Rz. 24
Die Zunahme der Zahl der privat-gewerblichen Träger in den letzten Jahren belegt, dass die Gemeinnützigkeit als Förderungsvoraussetzung keine unverhältnismäßigen Nachteile für die gewerblichen Träger begründet. Allerdings mag die gemeinschaftsrechtliche Dienstleistungsfreiheit für bestimmte Leistungsbereiche zu einer Aufweichung des Erfordernisses führen.